Zukunftsfernsehen: CNN machts vor

Ein Rückblick auf die amerikanischen Wahlen von 2008 zeigt: Die Fernsehstationen versuchen sich mit neuster Technik zu übertrumpfen – ob es den journalistischen Inhalt unterstützt, sei dahingestellt.

Die amerikanische Wahlschlacht 2008 ist Geschichte und der Gewinner steht fest.
Nicht nur das enorme Werbebudget machte diesen Wahlkampf zu einem noch nie dagewesenen Polit-Event, sondern auch die neuen Werbekanäle, die vor allem Barack Obama zu nutzen wusste. (hier, hier oder hier)

Dass die verschiedensten Medienkanäle aber auch am Ende der Wahlschlacht, an der Elections Night, plötzlich äusserst unüberblickbar wurden, zeigte sich am Beispiel der TV-Übertragung des Schweizer Fernsehen. Dort lud man, neben den 4seohunt.com/www/konradweber.ch drei Korrespondenten in Amerika, vier weitere Gäste ins Wahlstudio in Zürich. Und – ziemlich neu fürs Fernsehen – stellte man vor jeden Gast ein hp-Laptop auf. 10vor10-Moderator Stephan Klapproth erklärte, man könne sich in dieser Wahlnacht leider nicht mehr nur auf eine Quelle verlassen, sondern man müsse stets auf allen Online-Kanälen die aktuellste Zwischenstände beobachten. Deshalb also die Gäste? Und was machten diese eigentlich, falls sie nicht diskutieren, analysierten oder spekulierten?
Bei genauerem Hinsehen und während Kameraschwenks über den Experten wurde da oder dort auch mal YouTube gesichtet…

Das Studio von Schweiz aktuell wurde zum Spezialstudio für die US-Wahlen 2008 umfunktioniert.
Das Studio von Schweiz aktuell wurde zum Spezialstudio für die US-Wahlen 2008 umfunktioniert.

 

Trotzdem sollte an der Leistung des SF-Teams nicht gezweifelt werden. Ganze neuneinhalb Stunden war die Crew auf Sendung und holte sich über Korrespondenten, über die „Schwesterstation“ (was das auch immer heissen mag…) CBS News und direkt über die eigene Newszentrale zu jeder halben Stunde Neuigkeiten, Zwischenstände und vor allem den Überblick. Stephan Klapproth war dabei der Anchorman, der zwischen Aussenstellen, Regie und Zuschauern Verbindungen herstellte. Meist gelang es ihm ziemlich gut, diese Funktion wahrzunehmen, obwohl er die Gäste im Studio mehrere Male unschön unterbrechen musste.

Geglänzt hatte jedoch auch ein anderes Fernsehen während dieser Wahlnacht: CNN. Dort trauten die Zuschauer während der Wahlberichterstattung ihren Augen kaum: Ähnlich wie in der Science-Fiction-Saga „Star Wars“ beamte Moderator Wolf Blitzer kurzerhand die Korrespondentin Jessica Yellin von Chicago als Hologramm zu sich ins Studio nach New York. Dort diskutierte er mit ihr die Ereignisse des Wahltags, ganz so als stünde sie ihm wirklich gegenüber.
Yellin verriet das technische Geheimnis hinter ihrer virtuellen Stippvisite: Insgesamt 35 Kameras seien dabei, sie in einem Spezialzelt aus allen Blickwinkeln zu filmen, um ihr 3D-Hologramm an die Seite von Blitzer zu zaubern. „Du bist ein tolles Hologramm“, lobte der Anchorman. Yellin selbst fühlte sich nach eigenen Angaben wie in einer anderen Galaxie: „Es ist als würde ich in die Fußstapfen von Prinzessin Leia treten“, sagte sie in Anspielung auf die Star-Wars-Heldin, die in „Krieg der Sterne“ eine Hilfsbotschaft als Hologramm sendet. Unter Yellins Bild blendete CNN den Schriftzug ein: „Jessica Yellin via Hologramm aus Chicago. Live“.

Dass dieser Primeur in Fernsehtechnischer Sicht gleichzeitig mit den US-Wahlen zusammenfiel, ist klar. CNN brauchte einen Moment, während dem möglichst ein grosses Publikum angesprochen werden konnte. Und die Wirkung liess nicht auf sich warten. Bereits Minuten später berichteten sämtliche Agenturen und einige Medien über die neue Art der Dupplex-Schaltung. Dass in den nächsten Jahren auch im Schweizer Fernsehen erstmals Korrespondenten als Hologramm in eine Sendung einschaltet werden können, bezweifle ich.


Videostil: SF Tagesschau Spezial/4.11.08 Konrad Weber. Hologramm-Meldung: AFP (New York).

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