Berner Medienzukunft vor dem Aus

Gekommen waren sie fast alle, die Koryphäen der Berner Medienlandschaft. Zum zwanzigsten und auch letzten Mal, luden Roland Jeanneret und sein Organisationsteam am Samstag, 13. November zum Berner Medientag ins Kornhausforum. Ein Augenblick, um auf die vergangenen Medientage zurückzuschauen, eine Bilanz zu ziehen und vage Blicke in die Zukunft zu werfen. Dass dabei viele Journalisten dem Gestern nachtrauern, konnte nicht verborgen werden.

Gekommen waren sie fast alle, die Koryphäen der Berner Medienlandschaft. Zum zwanzigsten und auch letzten Mal, luden Roland Jeanneret und sein Organisationsteam am Samstag, 13. November zum Berner Medientag ins Kornhausforum. Ein Augenblick, um auf die vergangenen Medientage zurückzuschauen, eine Bilanz zu ziehen und vage Blicke in die Zukunft zu werfen. Dass dabei viele Journalisten dem Gestern nachtrauern, konnte nicht verborgen werden.

Zahlreiche Themen wurden während den letzten beiden Jahrzehnten in der Berner Medienbranche diskutiert. Themen, die heute Kopfzerbrechen bereiten, wurden bereits früh am alljährlichen Symposium der Berner Journalisten analysiert und diskutiert.

Karl Lüönd, ehemaliger stv. Chefredaktor des Blicks, Verleger und Buchautor, versuchte in seinem Einstiegsvotum einen ersten Blick zurückzuwerfen. In seiner daraus resultierenden Analyse ging Lüönd schonungslos mit den Journalisten um. «Viele Journalisten konnten bei betriebswirtschaftlichen und kommerziellen Diskussionen innerhalb der Branche nicht mithalten und waren froh, sich weder um Budgets noch um Kostenrechnungen kümmern zu müssen», meinte Lüönd. Er ist überzeugt, dass aus diesem Grund viele journalistische Edelfedern, die man schwungvoll auf Chefposten gehievt hatte, Jahre später durch branchenfremde Ökonomen ersetzt wurden.

Alles goldene Zeiten?

In einer ersten Diskussionsrunde wurde darauf die Entwicklung der letzten Jahre noch etwas tiefgründiger analysiert. Nicht nur goldig sei es früher gewesen, meinte unter anderem Toni Koller, Journalist bei Radio DRS, mit Blick auf die letzten 20 Jahre. Gerade im Radiojournalismus habe er dank neuen Technologien ein extremer Anstieg an Kreativität und Qualität feststellen können. «Hat man früher sechsminütige Beiträge gesendet, so wird heute dasselbe in drei Minuten erzählt. Dabei verloren die Beiträge keinesfalls an Qualität, im Gegenteil, sie sind heute vielleicht sogar noch tiefgründiger.»

Dem konnte Niklaus Ramseyer, langjähriger Bundeshausjournalist, nur beipflichten: «Heute sind wir Journalisten dreimal produktiver als vor 20 Jahren und verdienen immer noch dasselbe.»

Bonjour tristesse…

Die Diskussionsteilnehmer waren sich einig, dass sich der unumstrittene Produktionsanstieg nicht auf die Bilanzen der Medienunternehmen und Portemonnaies der Journalisten ausgewirkt habe. Dies sei jedoch nicht nur ein Fehler des Publikums, sondern der gesamten Branche.

Allerdings sei das Medienpublikum noch nie so gut informiert gewesen, wie dies heute der Fall ist, meinte Urs Paul Engeler, Journalist bei der Weltwoche. Heiner Hug, ehemaliger Tagesschau-Chef des SF, stellte dieser Aussage eine Beobachtung mit Blick in die Zukunft gegenüber: «Noch rund 20% des Publikums will in Zukunft hintergründige Medien konsumieren. Die übrigen 80% fühlen sich mit Gratiszeitungen und Onlineportale genügend gut informiert.» Eine gefährliche Entwicklung, bedenkt man an die enorme Macht – Themen und Meinungen zu bilden und zu beeinflussen – die plötzlich von solchen Medien ausgehen kann. Dass dabei Polarisierung und Skandalisierung vermehrt in journalistischen Produkten Einzug halten werden, ist eine logische Schlussfolgerung.
Nebst der eindeutig verschlafenen Online-Ausrichtung der Schweizer Medien, war auch der Relaunch und die Neuausrichtung der BZ Berner Zeitung ein heftig diskutiertes Thema des Berner Medientages. Ob sich die Positionierung als Lokalzeitung mit von der Schweizerischen Depeschenagentur SDA eingekauften Auslandsseiten durchsetzen wird, zeigt sich in einigen Monaten.

Der Anfang des Endes?

Egal ob regionale oder (inter)nationale Ausrichtung: Online und medienkonvergent wird die journalistische Zukunft sein. Von dieser Entwicklung zeigte sich vor allem Matthias Lauterburg, Redaktionsleiter von TeleBärn News, begeistert: «Stünde ich nochmals am Anfang meiner journalistischen Karriere, würde ich als Onlinejournalist beginnen.»

Die kommende Zeit wird nicht rosig, davon waren alle Anwesenden überzeugt. Der in Vergangenheit breit diskutierte Qualitätsverlust der Medien spielt bei dieser Entwicklung nur eine Nebenrolle. Wichtiger ist die Erkenntnis der heutigen und angehenden Journalisten, dass sie in Zukunft weniger Gewicht bei der Meinungsbildung ihres Publikums einnehmen werden. Hinzu kommt, dass viele Journalisten in die Öffentlichkeitsarbeit abwandern und Studenten mit medienwissenschaftlichen Ausbildungen den Arbeitsmarkt überfluten. Im September 2010 waren 1400 Journalistinnen und Journalisten in der Schweiz arbeitslos. Dies ist ein Drittel mehr als vor zwei Jahren. Der Fakt, dass eine immer kleiner werdende Gruppe von Journalisten einer stetig wachsenden Masse von Kommunikatorinnen und Kommunikatoren gegenübersteht, trägt ebenfalls zu einem grösseren Druck auf die Journalisten bei.

Solche und ähnliche Diskussionen sollten in einer nächsten Ausgabe des Berner Medientages zwingend weiterverfolgt und diskutiert werden. Wie und ob dieses Austauschgefäss allerdings weiterbestehen wird, konnte an der zwanzigsten Ausgabe noch nicht geklärt werden. Sicher ist, dass sich das aktuelle Organisationskomitee um Roland Jeanneret (Radio DRS und Glückskette) und Markus Dütschler (Der Bund) zurückzieht und allfälligen Nachfolgern das Feld überlässt, um neue Ideen und Projekte zu lancieren. Oswald Sigg, ehemaliger Bundesratssprecher, formte daraus in seinem Fazit eine klare Botschaft: «Dr Letscht löscht ds Liecht und reserviert vorhär noch schnäu dr Saal für nächschts Jahr.»

1 Kommentar

Schreibe einen Kommentar