Was erwartet die Schweizer Medienbranche 2012?

2011 – es war das Jahr der digitalen Hypes. Journalisten en masse strömten auf Twitter und entdeckten das Web für sich. 2012 wird demnach das Jahr der digitalen Entscheidungen, in welchem sich Journalisten ernsthafter mit diesem Internet auseinandersetzen. Es folgen sechs Höhepunkte des Schweizer Medienjahres 2012.

Nicht all meine Aussagen, die ich vor einem Jahr an dieser Stelle machte, wurden im vergangenen Jahr erfüllt. Der Trend hin zu mobilem und digitalem Journalismus hat nach einem ersten Hype nun auch die Schweiz gepackt. Die Lancierung der TagesWoche, der Treffpunkt Bundesplatz und der «neue Tages-Anzeiger» auf dem iPad sind nur drei solcher Beispiele. Und die Aussichten stimmen positiv: Eine Sensibilisierung für die digitale Journalismuszukunft ist in der Zwischenzeit auch in der Schweiz angekommen und an ernst gemeinten Onlineprojekten wird es auch im kommenden Jahr nicht mangeln.

_1 Die «metered paywall» der NZZ

Noch im ersten Quartal 2012 will die Neue Zürcher Zeitung ein neues – auf HTML5 basierendes – Layout ihrer Website vorstellen. Gleichzeitig stecken die journalistischen Inhalte neu hinter einer so genannten «metered paywall». Mit Argusaugen wird nicht nur die Schweizer, sondern die ganze deutschsprachige Medienszene diesen Schritt verfolgen. Eine erste Bilanz wird wohl erst nach einem halben Jahr gezogen werden, nachdem sich ein erster Wirbel gelegt hat.

_2 Fusion von SR DRS Online mit tagesschau.sf.tv

News Online von SRF, wie die Abteilung offiziell heisst, hat bereits seit einigen Monaten ihre längst fällige Arbeit aufgenommen. Noch im 2012 soll ebenfalls ein bedeutender Relaunch anstehen, dabei werden der Onlineauftritt des öffentlich-rechtlichen Radios mit dem Fernsehen zusammengeführt. Nachdem die Diskussionen um den künftigen Brand anscheinend geklärt wurden, geht es nun darum, aus srf.ch eine neue Newsplattform im Internet zu positionieren. Zwischentöne von Verlegerseite sind vorprogrammiert.

_3 Bern erhält ein neues Onlinemedium

Von wegen Journalismuskrise. Spätestens Ende Sommer erhält die Hauptstadt mit den «Berner Online Medien» (der Name ist noch nicht definitiv) ein neues Onlinemedium. Als Gegenstimme zu den letzten beiden Zeitungen aus dem Hause Tamedia (Der Bund, Berner Zeitung) ist das Projekt angedacht. Eine Stiftung mit etwas mehr als 100 Gönnern soll dabei die finanzielle Basis bilden. Das Projekt steht auf wackligen Beinen, haben die Initiatoren mit ihrer ersten politischen Positionierung ihr Zielpublikum doch bereits ziemlich eingeschränkt. Über den Aufstieg oder Fall des Projektes wird in erster Linie die Personalwahl der Redaktion(sleitung) entscheiden, die sich in den kommenden Wochen entscheiden wird.

_4 Gestandene Journalisten entdecken Twitter

Nachdem 2011 das Jahr des digitalen Hypes war, werden im kommenden Jahr immer mehr gestandene Journalisten die Neuen Medien für sich entdecken. «Wir machen jetzt auch auf Facebook und Twitter mit» wird sich im neuen Jahr erübrigen. Bei Bewerbungen entscheiden neu vorausschauende Chefredaktoren auch auf die digitale Präsenz ihrer jungen Journalistenkollegen. Es ist selbstverständlich, dass dabei Twitter- und Facebook-Kenntnisse vorausgesetzt werden, trotzdem werden uns auch 2012 einige Journalisten ihre digitalen Bekehrungen vortragen.

_5 Datenjournalismus auf Schweizerisch

Neben den Neuen Medien entdecken Schweizer Journalisten 2012 endlich auch die Möglichkeit, Daten multimedial in Geschichten zu verpacken. Nachdem in Deutschland bereits im 2011 erste vielversprechende Gehversuche gemacht wurden, erkennen auch Schweizer Medienschaffende die Notwendigkeit sich mit dem Thema «Datenjournalismus» auseinanderzusetzen. Bleibt nur die Frage zu klären, welches Schweizer Projekt der «Vorratsdaten-Visualisierung» von ZEIT Online das Wasser zu reichen vermag.

_6 Wo bleibt die Onlineausbildung für junge Journalisten?

Und dann wäre da noch die Ausbildung junger Journalisten. Obwohl immer mehr gestandene Medienschaffende Online als zusätzlichen Kanal verstanden haben, hinkt die Journalismusausbildung auch im kommenden Jahr den Entwicklungen hinterher. Ein Kollektiv von jungen Journalisten nützt diese Lücke und lanciert deshalb die ersten Schweizer Jugendmedientage, die im Herbst 2012 durchgeführt werden. Neben jungen Journalisten aus dem ganzen Land finden auch Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland und Österreich zu diesem mehrtägigen Anlass zusammen. Denn die jungen Journalisten von heute haben begriffen, dass ihr seriös geführtes Handwerk nicht nur im neuen Jahr, sondern auch darüber hinaus mehr denn je gefragt ist.

1 Kommentar

Punkt 1 ist besonders spannend aus technischer Sicht: Ein neues Design, schön und gut, HTML 5 schön und gut, doch wie das alles umgesetzt wird (heisst ob die Möglichkeiten und Zwecke von HTML 5 genutzt werden), ist die andere Frage -es könnte auch genau so gut einfach ein schönes Wort für die Technikfans sein, um alles ein wenig aufzuwärmen. Ebenfalls möglich: Eine schöne, anti-native Webapp, wie es zB FT hat (http://apps.ft.com/ftwebapp/).

Punkt 4 ist hingegen ziemlich logisch, Journalisten sind Menschen, die technische Hilfsmittel wie beispielsweise Smartphones nutzen, in denen halt immer häufiger eine Integration von Social Media-Clients wie zB Twitter finden. Wenn sie sich dann noch öffentlich darüber freuen, ist das doch süss 😉

Punkt 6 kann ich (zum Glück) ein bisschen widerlegen, 2 Semester über dir gibt es Fächer wie „Texten im Web“, „Podcasting“ oder „Social Media & Corporate Communication“.

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