In Zeiten von Klimakrise und Pandemie haben viele Unternehmen realisieren müssen, dass sich einzig mit einem fancy Produkt und einer geschönten Marketing-Story Kund:innen nicht mehr so einfach anlocken lassen.
Organisationen sind heute mehr denn je gefordert, sich und ihr Handeln gesellschaftlich zu legitimieren. Vor allem in einer Welt, die geprägt ist von Überangebot, Transparenz und veränderten Ansprüchen durch heranwachsende Generationen.
Vom Purpose zum Public Value
Der Public-Value-Ansatz – ursprünglich entstanden als Gegenentwurf zum Shareholder-Ansatz – kann hierbei als Kompass dienen: Unternehmensvisionen und -strategien werden künftig noch stärker von der Gesellschaft her definiert. Produkte und Dienstleistungen müssen sich erst recht an ihrem «öffentlichen Wert» messen. Der Purpose lässt grüssen.
Wer bisher den Erfolg von digitalen Produkten messen wollte, hat sich in erster Linie an der Nutzung, der wiederkehrenden Bindung und der Interaktionsrate orientiert. Doch damit lässt sich kaum etwas über die echten Bedürfnisse und die Qualität der Beziehung zu den Nutzer:innen aussagen.
Weshalb wird der Erfolg von Produkten und Dienstleistungen deshalb nicht stärker an Werten gemessen, die uns Menschen als Individuum und als Gesellschaft insgesamt weiterbringen?
Öffentlich-rechtliche Medienhäuser kennen diesen Ansatz seit längerem, obwohl sie sich mit der Messbarkeit und Legitimation diesbezüglich etwa ähnlich lang schwer tun.
Als eines der ersten Medienhäuser ging die BBC in dieser Thematik einen Schritt weiter. 2005 wurde der bisher aus der öffentlichen Verwaltung bekannte Public-Value-Ansatz bei der Erneuerung der «BBC Charter» in die Medienwelt übertragen. Seither hat das Medienhaus nicht nur den Begriff geprägt, sondern auch die Debatte darüber, wie man diesen Ansatz operationalisierbar und messbar machen könnte.
Human Values als Erfolgskriterien in der Produktentwicklung
Auf operativer Ebene wurde im Rahmen eines Forschungsprojektes von BBC R&D vor zwei Jahren ein neuer Ansatz entwickelt, welcher die Erfolgsmessung von Produkten stärker von reinen Nutzungszahlen hin zu qualitativeren «Human Values» richten soll.
Resultat dieses Forschungsprojektes ist ein kollaborativer Gestaltungsrahmen für alle, die bei Entwicklungen den Menschen in den Mittelpunkt stellen wollen. Teil dieser Anleitung sind 14 konkrete Werte, die auf das Wohlbefinden der Nutzer:innen ausgerichtet sind.
Auf Basis dieser 14 Werte hat das Forschungsteam ausserdem ein Set von weiteren Frameworks entwickelt, das bei der Ausgestaltung von neuen Ideen innerhalb des Design-Prozesses oder gar beim Formulieren neuer Strategieziele anhand der OKR-Methode helfen können.
Weg vom Marktfehler hin zur Marktinnovation
Doch Public Value sollte nicht nur auf Produktebene, sondern auch auf strategischer und übergeordneter Ebene eine Rolle spielen. Gemeinsam mit dem Institute for Innovation and Public Purpose (IIPP) der Universität London hat die BBC im vergangenen Jahr ausserdem eine Studie durchgeführt, welche zum Ziel hatte, den Public Value auf gesellschaftlicher und organisatorischer Ebene klarer fassbar zu machen.
Dabei unterscheiden die Forscher:innen drei Ebenen: Der öffentliche Wert wird sowohl auf individueller Ebene (welcher Nutzen stiftet das BBC-Angebot mir direkt?), als auch auf gesellschaftlicher Ebene (trägt das BBC-Angebot zu einer integrativeren, toleranteren und vielfältigeren Kultur bei?) und auch auf wirtschaftlicher Ebene gemessen (geht die BBC als Unternehmen Risiken ein, die für das Entstehen neuer Märkte notwendig sind?).
In der Geschichte des technologischen Wandels hat der öffentliche Sektor oft eine unternehmerische Rolle gespielt und beispielsweise in Technologien investiert, bevor der private Sektor dazu bereit war. Dies betraf ursprünglich in erster Linie risikoreiche und kapitalintensive Investitionen in den Bereichen der Gesundheit, Raumfahrt und bei erneuerbaren Technologien.
Um diese unternehmerische Rolle öffentlicher Einrichtungen zu verstehen, so die Argumentation der Forscher:innen, bedarf es allerdings nicht der alten und negativen Logik des «Marktfehlers», der dank diesen öffentlichen Unternehmen behoben wird, sondern einer positiven Theorie der Innovationskraft und neu entstehenden Märkte. Und genau dort soll auch die neue Messform des «Public Value» bei der BBC ansetzen, erklären die Forscher:innen des IIPP.
Doch der Public-Value-Ansatz ist längst nicht nur für öffentliche Unternehmen, Kulturinstitutionen und Nichtregierungsorganisationen nützlich.
Public Value zahlt sich auch wirtschaftlich aus
Auch privatwirtschaftliche Unternehmen, die ihre Tätigkeiten stärker einer gesamtgesellschaftlichen Wirkung und einem übergeordneten Sinn und Zweck unterordnen wollen, sollten sich mit ihrem Nutzen, den sie für die Gesellschaft stiften, auseinandersetzen. Dabei können der Public-Value-Ansatz und die verschiedenen Messmodelle durchaus hilfreich sein, um den eigenen unternehmerischen Impact besser analysieren zu können.
Wie kann der «öffentliche Wert» gemessen, organisiert und ausgebaut werden? Die britische Innovations-Agentur nesta hat in einem ausführlichen Bericht den Public-Value-Ansatz im Kultur- und Gesundheitsbereich untersucht und damit verbundene Messmodelle entwickelt.
Am Ende zahlt sich diese Art der Unternehmensführung durchaus auch wirtschaftlich aus: Aktuelle Studien kommen zum Schluss, dass zweckorientierte Unternehmen höhere Gewinne verzeichnen und im Durchschnitt dreimal schneller wachsen als ihre Konkurrenz. Gleichzeitig verzeichnen sie eine höhere Mitarbeiter:innen- und Kund:innen-Zufriedenheit.
Fragen? Eigene Erfahrungen?
Welche Erfahrungen haben Sie selbst mit dem Public-Value-Ansatz gemacht? Kennen Sie Organisationen, die ihren Purpose ins Zentrum ihrer Aktivitäten stellen? Lassen Sie es mich gerne wissen, indem Sie die untenstehende Kommentar-Funktion nutzen oder mir auf einem anderen Kanal eine Nachricht zukommen lassen. Ich freue mich!
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