Weshalb sich Unternehmen mit Strategieprozessen so schwer tun

Wie lautet die Strategie? Diese Frage kennt wohl fast jede Person im Unternehmenskontext. Wer in der eigenen Organisation auf Probleme und Widerstände stösst, ruft schnell nach einer rettenden Strategie als Lösung. Doch diese Strategiearbeit wird oft entweder gar nicht gemacht oder höchstens einmal jährlich als Pflichtübung und Sammlung von gemeinsam zusammengetragenen Zielen verstanden.

2 von 3 Strategieprozesse scheitern

Es ist deshalb auch nicht weiter erstaunlich, kommen zahlreiche Studien zum Schluss, dass mehr als zwei von drei Strategieprozessen scheitern. Das liegt zum einen daran, dass die traditionelle Denkweise über Strategieprozesse völlig rückständig ist und zum anderen, dass selbst die Führungskräfte in drei von vier Fällen nicht an den Erfolg ihrer Strategien glauben.

Wie also besser machen?

Viele Strategieprozesse scheitern, weil es sich bei diesen «neuen Strategien» oft gar nicht um Strategien handelt. Nur weil etwas auf der Top-Ebene der Organisation entschieden worden ist, handelt es sich dabei noch lange nicht um etwas Strategisches. Ebenso wenig bilden lose Zielsetzungen oder allgemeine Stossrichtungen eine Strategie.

Warum zahlreiche Strategien nicht gelingen

Die meisten Strategien scheitern, weil ..

  • .. jede:r in der Organisation etwas anderes unter Strategie versteht. Nur weil jemand etwas als persönlich wichtig erachtet, hat das noch lange nichts mit Unternehmensstrategie zu tun.

  • .. in der Organisation nicht offen und ehrlich über bestehende Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken und neue Ideen gesprochen werden darf.

  • .. strategische Diskussionen nur innerhalb des Top-Managements und mit viel Geheimniskrämerei geführt werden. 

  • .. die Strategiearbeit hauptsächlich aus der Innensicht angegangen wird und dabei die wahren Herausforderungen des Marktes ignoriert werden.

  • .. keine echte Priorisierung bei der Fülle an Möglichkeiten erfolgt und man in erster Linie mehr statt weniger erreichen will.

  • .. die entwickelte Strategie weder verbindliche, noch messbare Ziele, Kriterien und Verantwortlichkeiten beinhaltet und selten auch die verfügbaren Ressourcen kritisch mit in die Planung einbezieht.

  • .. die Strategie nicht als Kommunikationsinstrument genutzt wird und sich so Mitarbeitende und weitere Stakeholder auch nicht damit identifizieren können. 

  • .. die Strategiearbeit nicht als Change-Prozess verstanden wird. Strategische Neuausrichtungen und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle erfordern stets auch eine Veränderung der Unternehmenskultur. 

  • .. in den häufigsten Fällen nach der Strategieentwicklung keine Handlung und schon gar keine Reviews respektive ein Controlling der Zielerreichung erfolgen.

Wer trotz dieser Vorzeichen die Strategieentwicklung zu einem Erfolg bringen will, sollte demnach nicht nur die Gründe für das vielfache Scheitern beachten, sondern auch verstehen, was eine gute Strategie tatsächlich ausmacht.

3 Kernelemente einer guten Strategie

Richard Rumelt argumentiert in seinem Buch «Good Strategy Bad Strategy», dass die Aufgabe der Führungskräfte im Strategieprozess vor allem darin besteht, die Komplexität und Mehrdeutigkeit der aktuellen Situation zu absorbieren und der Organisation ein einfacheres Problem zu übergeben – eines, das lösbar ist.

Im Kern geht es darum, die Stärken in der Situation zu erkennen, bewusst zu einer Vielzahl von Möglichkeiten Nein zu sagen und die Strategie als treibende Kraft in der eigenen Organisation zu verankern.

Aus Sicht von Richard Rumelt sollte deshalb jede Strategie drei Kernelemente beinhalten:

  1. eine ehrliche Diagnose, die die strategischen Herausforderungen definiert und kritisch priorisiert, 
  2. Leitlinien aus gesamtheitlicher Sicht, welche die in der Diagnose identifizierten Hindernisse bewältigen,
  3. eine Reihe von aufeinander abgestimmten Massnahmen zur Umsetzung der Leitlinien.

Strategisch denken, heisst rückwärts denken

Bei der Entwicklung von Strategien tendieren die meisten Menschen dazu, in linearen Prozessen zu denken: «Wir sind bei Punkt A und müssen zu Punkt B.» Viele komplexe Herausforderungen lassen sich allerdings nicht mit solch linearen Denkweisen beantworten. Mark Johnson spricht sich deshalb in seinem Buch «Lead From the Future» für einen «Future-Back-Ansatz» aus. Dieser sieht für die Strategieentwicklung einen revolutionären Zustand in der Zukunft vor, von dem sich darauf basierend konkrete Schritte für die Gegenwart ableiten lassen.

Vom Endpunkt auszugehen und sich dann zurück zu arbeiten, ist eine sehr effektive Methode, um das Warum der Veränderung nie aus den Augen zu verlieren. Die mit diesem Ansatz freigesetzten transformatorischen Kräfte können ausserdem eine ganze Organisation mitreissen.

Present-Forward-AnsatzFuture-Back-Ansatz
was istwas sein wird
erhaltendtransformierend
Streben nach GewissheitStreben nach Klarheit
umsetzen und verwaltenentdecken und gestalten
von Analysen getriebenvon Hypothesen geleitet
Die unterschiedlichen Denk-Ansätze im Vergleich. Quelle: «Lead From the Future» von Mark Johnson.

Wichtig dabei zu beachten ist allerdings, dass der Endpunkt nicht als Output (Ergebnis) – also als quantitative Sammlung von Massnahmen, sondern als Outcome (Veränderung) respektive als Impact (Wirkung) definiert wird. Wem diese Differenzierung neu ist: Hier wird der Unterschied beschrieben.

Dies zwingt alle an der Strategieentwicklung beteiligten Parteien bereits zu Beginn des Prozesses den Nutzen zu erkennen. Ohne dieses Verständnis verlieren die Projektteilnehmer:innen das ursprüngliche Ziel schnell aus den Augen und produzieren Ergebnisse, die wenig oder sogar keinen Wert für die Organisation haben.

Lesetipps zu Strategieprozessen

Hier finden Sie Buch- und Lesetipps zu den Themen Agilität, digitale Transformation und Strategieentwicklung.

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