Change Kulturwandel Leadership

Weshalb die nächste Disruption in der Medienbranche von innen kommt

Versäumnisse in Arbeitskultur und Personalentwicklung führen zu Nachwuchsmangel und Know-how-Verlust in der Medienbranche.
Publiziert:
Überarbeitet:

Die nächste grosse Veränderung in der Journalismus- und Kommunikationsbranche steht unmittelbar bevor. Und damit ist nicht (wie vielerorts in diesen Tagen) von Automatisierung, Künstlicher Intelligenz und ChatGPT die Rede. Vielmehr wurde in den letzten Monaten offensichtlich, dass die anstehenden Umwälzungen für einmal nicht von aussen, sondern von innen auf den Journalismus und die Kommunikationswelt einwirken werden. Und zwar vielfach aus hausgemachten Gründen.

Denn bei dieser Disruption handelt es sich um den Mangel an qualifizierten Mitarbeitenden, authentischen Gesichtern und glaubwürdigen Stimmen.

Herausforderung 1: Versäumnisse bei Arbeitskultur und Personalentwicklung

Viele Unternehmen in der Medienbranche haben es in den letzten Jahren verpasst, in die Entwicklung ihrer Mitarbeiter:innen und den Aufbau von Nachwuchskräften zu investieren. Ein Fokus auf die Arbeitskultur und Anreize für die Bindung von Mitarbeitenden wurden versäumt. Einst ein Beruf, welcher kaum je von Nachwuchsproblemen geplagt war, muss sich plötzlich aktiv um Neueinsteiger:innen bemühen.

In einer jüngst im März 2023 veröffentlichten Studie untersuchten Forscher:innen die berufliche Situation von jungen Journalist:innen in der Schweiz. Befragt wurden rund 200 Personen mit Jahrgang 1990 oder jünger. Die Studie kommt zum Schluss, dass junge Journalist:innnen ihren Beruf hauptsächlich aus Gründen der Selbstverwirklichung gewählt haben, aber auch idealistische Motive weit verbreitet sind, während materieller Gewinn und Status bei der Berufswahl kaum eine Rolle spielen.

Herausforderung 2: Fehlender Nachwuchs und zunehmender Know-how-Verlust

Viele junge Journalist:innen leisten aus Selbstverständlichkeit Überstunden. Zwei Drittel geben an, dass sie bei der Arbeit Stress erleben. Sie kritisieren unzureichende finanzielle Mittel und sehen die Beschleunigung der Arbeitsprozesse als Bedrohung an. Insgesamt ist die Arbeitszufriedenheit der jungen Schweizer Journalist:innen im Vergleich zu früheren Studien gesunken. Die Befragten sind eher pessimistisch, was die Zukunft des Journalismus angeht, und eine Mehrheit hält es für unwahrscheinlich, dass sie ihr ganzes Berufsleben lang als Journalist:in arbeiten werden.

Doch die Disruption auf Mitarbeitenden-Ebene betrifft bei weitem nicht nur den Nachwuchs. In den letzten Jahren haben zahlreiche Medienschaffende – egal ob Einsteiger:innen, langjährige Mitarbeitende oder Führungskräfte – die Branche verlassen. In der Schweiz wird eine Person pro Woche gezählt, welche die Branche verlässt. Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen von mangelnder Wertschätzung, über falsche Anreize bis hin zu fehlenden Perspektiven.

Herausforderung 3: Alte Denkweisen und kaum Selbstreflexion

Zahlreiche Organisationen stecken noch immer tief in tradierten Denkmustern und altgedienten Arbeitswelten. Einige typische Anzeichen dafür sind hier auf Basis von Diskussionen mit Betroffenen innerhalb solcher Unternehmen gesammelt:

  • Die Strategie kennt nur die oberste Führungsebene im Unternehmen.
  • Kritik wird höchstens hinter vorgehaltener Hand ausgesprochen.
  • Viele Führungskräfte scheuen, Risiken einzugehen und eigenständige Entscheidungen zu treffen.
  • Geführt wird über Informationszugang – für den Arbeitsalltag relevante Dokumente sind kaum für alle zugänglich.
  • Zielvereinbarungen und Feedback werden höchstens einmal im Jahr im Rahmen des Mitarbeitergesprächs angesprochen.
  • Sitzungen füllen die Arbeitstage, obwohl sich alle Teilnehmer:innen einig sind, dass es dringend weniger Sitzungen bräuchte.

Grundsätzlich wird mehr über «was man arbeitet» als «wie man (zusammen)arbeitet» diskutiert. Reflexion über Arbeitsweisen, Hierarchien und Stimmungen in Teams finden vielerorts kaum je statt.

Was sich junge Medienschaffende wünschen würden

Der Schweizer Branchenverein für «Junge Journalistinnen und Journalisten Schweiz» hat mit unzähligen jungen Journalist:innen gesprochen und sie gefragt, welche Veränderungen sie sich wünschen, damit sie nicht in den kommenden Jahren wieder aus dem Beruf aussteigen.

Eine Auflistung von Umfrageresultate, was sich aus Sicht von jungen Journalist:innen in der Branche verändern sollte.
Übersicht über Umfrageresultate des Branchenvereins Junge Journalistinnen und Journalisten Schweiz zur Frage, was sich in der Branche verändern sollte.

Bei dieser Befragung kristallisierten sich 8 Punkte heraus, wie die Medienbranche das Nachwuchsproblem angehen könnte:

  1. Zeitmanagement einführen: Leidenschaft ist wichtig, aber kann nicht als Lohn abgegolten werden. Berufseinsteiger:innen leisten Überstunden, doch sehen dies als Ausnahme und nicht als Regel an.
  2. Journalist:innen tatsächlich Journalismus machen lassen: Rausgehen, recherchieren, einordnen – das kostet Zeit und Geld. Doch wer diese Tätigkeiten in seinem Jobprofil notiert hat und stattdessen trotzdem nur Copy-Paste-Tätigkeiten ausführt, steigt eher früher als später wieder aus.
  3. Mehr angemessen bezahlte Arbeit anbieten: Junge Leute brauchen Perspektiven. Wenn Praktika zwar angeboten werden, aber schlecht oder gar nicht bezahlt und oft ohne Betreuung umgesetzt werden, so ist dies eine Mogelpackung, die schnell durchschaut wird.
  4. Ideen fördern: Junge Leute bringen frischen Wind. Doch häufig werden ihre Ideen in endlosen Diskussionen verwässert und mit «das haben wir bisher aber nicht so gemacht» abgeschmettert.
  5. Echte Wertschätzung: Weil der Content heutzutage kaum noch einen Wert hat, haben es die Personen, die ihn erstellen auch nicht. Echtes Feedback als Wertschätzung fehlt vielerorts – stattdessen wird vermittelt: Wer nicht dankbar ist, ist ersetzbar.
  6. Mitarbeiter:innen entlasten: Wenn Mitarbeitende nicht ihr volles Potential ausschöpfen können, Fehler passieren und man dem eigenen Anspruch nicht gerecht werden kann, löst dies Frust aus.
  7. Null Toleranz bei Sexismus: Junge und talentierte Leute verlieren das Vertrauen in Strukturen, wenn jede:r weiss, wer im Unternehmen Grenzen überschreitet, ohne dass es jemals Konsequenzen gab.
  8. Nur gemeinsam gelingt es: Wenn die Einstellung vorherrscht «das war ja bei uns auch schon so», wird sich so schnell nichts ändern. Deshalb braucht es einen echten und nachhaltigen Wandel.

Einblick in den Kulturprozess beim NDR

Stellvertretend für diese strukturellen und von jungen Berufsvertreter:innen benannten Probleme steht auch der jüngst publizierte «Klimabericht» des NDR. In dieser Analyse wird die Unternehmenskultur und das Betriebsklima im Norddeutschen Rundfunk unter die Lupe genommen. Der 99-seitige Bericht deckt schonungslos auf, was im norddeutschen ARD-Haus nach Ansicht der NDR-Mitarbeiter:innen im Argen liegt. In Gesprächen mit 1055 NDR-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern kommen die externen Autor:innen zum Schluss, «dass es sich um kein Einzelphänomen handelt».

Viele Verfehlungen entstehen in Zusammenhang mit Hierarchie- und Führungsthemen. Einem Gallup-Report zufolge sind Vorgesetzte häufig der Hauptgrund, warum Mitarbeitende kündigen. Man gibt eine Arbeitsstelle nicht auf, um ein Unternehmen zu verlassen, sondern um die eigenen Chefs los zu werden.

Wenn es um die Führungskultur in der Medienbranche geht, so steht es um viele Unternehmen in der Branche schlecht. Stellvertretend dafür eine Aussage aus dem NDR-«Klimabericht»: «So wird man Führungskraft im NDR: Man muss ins System passen, braucht Vitamin B und muss seine nächsthöhere Führungskraft kennen». Eine andere Person merkt an: «Unsere Führungskräfte klonen sich permanent selbst. Da entsteht nicht mehr viel Neues.» Und: «Wer einmal Chef ist, bleibt es für immer. Sehr ungesund. Keiner will seinen Status aufgeben, egal, ob Leistung oder Kompetenz noch zur Stelle passen.»

Wie entwickelt man eine starke Unternehmenskultur?

Investitionen in die Unternehmenskultur und eine laufende Arbeit an Prozessen und Strukturen einer Organisation zahlen sich an unterschiedlichen Stellen aus. Die Mitarbeiter:innen-Fluktuation kann gesenkt werden, wertvolles Wissen und Erfahrung bleiben im Unternehmen. Die Motivation von einzelnen Team-Mitgliedern nimmt zu, was wiederum in mehr Selbstverantwortung und innovativeren Lösungen resultiert.

Doch sämtliche dieser Punkte lassen sich nicht mit einer einmaligen Investition von heute auf morgen ändern. Im Gegenteil: Es braucht einen echten Investitionswillen, Ausdauer und ein regelmässiges Nachhalten, damit die Arbeitskultur im Unternehmen langfristig gestärkt werden kann.

Weshalb sich Investitionen in die Unternehmenskultur auszahlen

5 konkrete Schritte, wie man eine starke Unternehmenskultur entwickelt.

Fragen? Andere Beispiele?

Kennen Sie Beispiele von Organisationen, welche starke Unternehmenskultur gemeinsam mit den Mitarbeiter:innen entwickelt haben? Oder benötigen Sie Unterstützung bei der Überarbeitung Ihrer Unternehmenskultur? Lassen Sie es mich gerne wissen, indem Sie die untenstehende Kommentar-Funktion nutzen oder mir auf einem anderen Kanal eine Nachricht zukommen lassen. Ich freue mich!

Einmal im Monat fasse ich Tipps und Leseempfehlungen zu Strategieentwicklung, Change Management und Transformation in einem kostenlosen Newsletter zusammen.

Über 2000 regelmässige Abonnent:innen vertrauen bereits diesem Update für Geist und Herz. Es würde mich sehr freuen, auch Sie künftig zu meiner treuen Leserschaft zählen zu dürfen.

Jetzt anmelden

Name(erforderlich)