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Wir Menschen tendieren dazu, grosse Veränderungen mit Bedrohungen gleich zu stellen. Von Natur aus bevorzugen wir Sicherheit und Stabilität. Das führt dazu, dass wir unseren aktuellen Interessen und Bedürfnissen immer mehr Wert beimessen als den längerfristigen Veränderungen. Unser Unterbewusstsein hindert uns daran, vermeintlich abstrakte und in der Zukunft liegende Veränderungen zu akzeptieren.
Weshalb gehören Veränderungen heute zum Alltag?
Dabei führen zahlreiche Faktoren dazu, dass der Veränderungsdruck in der Gesellschaft und in Organisationen in den vergangenen Jahren zugenommen hat. Spätestens seit der Corona-Pandemie und den darauf folgenden Multikrisen stecken wir in einem Zeitalter, in dem von BANI (und nicht mehr VUCA) die Rede ist.
Während VUCA (Volatilität, Ungewissheit, Komplexität und Ambiguität) noch aus dem Kalten Krieg stammt, beschreibt BANI (brüchig, verunsichert, non-linear, unverständlich) eine neue Realität, in der die alten Werte und Regeln nicht mehr gelten.
Beide Begrifflichkeiten beschreiben die Herausforderungen, die sich in einer immer schneller verändernden Welt abzeichnen. Die Modelle sollen aber auch Organisationen dazu dienen, ihre Schwächen frühzeitig zu erkennen, um die eigenen Strukturen und Prozesse entsprechend laufend zu überprüfen und anzupassen.
Übertragen auf die Medien- und Kommunikationsbranche zeigen sich diese brüchigen und komplexen Veränderungen auf mehreren Ebenen:
- Sowohl von Aussen (zunehmende Konkurrenz, technologische Veränderungen, neue Nutzer:innen-Bedürfnisse, überholte Werteversprechen, neue Regulierungen, steigende Kosten bei Ressourcen) als auch …
- von Innen (fehlende Geschäftsmodelle, zunehmender Zeitdruck, neue Formen der Zusammenarbeit, Fachkräftemangel) zwingen zahlreiche Entwicklungen die Organisationen zum Handeln.
Weshalb kommt es zu Widerständen in Veränderungsprozessen?
Im Schnitt durchleben Mitarbeitende zehn grössere Veränderungsprojekte pro Jahr an ihrem Arbeitsplatz. Dies entspricht einer Verfünffachung der Anzahl Projekte im Vergleich zu noch vor acht Jahren. Entsprechend nahm die Bereitschaft der Mitarbeiter:innen, den Wandel im Unternehmen zu unterstützen ab: Der Anteil der zustimmenden Mitarbeitenden sank im Jahr 2022 auf nur noch 43%, verglichen mit 74% im Jahr 2016. Vielerorts ist in diesem Zusammenhang von Change Fatigue zu lesen.
Psychologische Gründe für Widerstände
Widerstände auf Veränderungen können deshalb in ganz unterschiedlichen Bereichen auftauchen: Auf der individuellen Ebene hängt dies oft mit psychologischen Gründen zusammen. Wir haben viel Zeit, Energie und Ressourcen in das Erschaffen und Erhalten des Jetzt investiert.
Veränderungen bedeuten deshalb immer auch ein Hinterfragen des Bisherigen, Auflösen von Routinen und Verlust von Kontrolle. Vor diesem Hintergrund ist verständlich, dass viele Menschen erstmal dazu tendieren, den Status Quo gegenüber künftigen Unsicherheiten schützen und verteidigen zu wollen.
Organisationelle Gründe für Widerstände
Aber auch auf Organisationsebene können Veränderungen Widerstände auslösen. Dies hängt oft mit Machtverschiebungen innerhalb von Teams, Gruppendynamiken und neuen Ressourcenverteilungen zusammen. Gerade in Zeiten grösserer Transformationen (Print > Digital oder Mensch > KI) gehören solche Widerstände zur Tagesordnung von Organisationen und bedingen neue Konzepte und Methoden der Zusammenarbeit.
Wichtig zu beachten ist, dass uns «kleinere» Veränderungen auf organisationaler Ebene schwerer fallen, da sie mehr mentale Kapazität beanspruchen. Wenn zum Beispiel eine Mitarbeiterin in ein neues Team wechseln muss, wird diese Änderung als 2,5-mal stärker belastend empfunden als grössere, strukturellere Veränderungen wie beispielsweise eine Fusion oder Übernahme des Unternehmens.
Kulturelle Gründe für Widerstände
Schliesslich können Widerstände auch auf kultureller Ebene ausgelöst werden – wenn die geteilten Normen, Werte, Überzeugungen und Verhaltensweisen, die im Laufe der Zeit in einer Organisation entwickelt wurden, plötzlich hinterfragt werden.
Dazu gehören auch historische Erfahrungen zu bisherigen Veränderungsprozessen oder zum Verhalten der Führungskräfte. Sind damit negative Erfahrungen verbunden (z.B. mangelnde Kommunikation, schlechte Umsetzung, hierarchische Entwicklungen) kann schnell Misstrauen und Skepsis gegenüber neuen Veränderungsinitiativen entstehen. Wir neigen dazu, auf Basis vergangener Erlebnisse auch neue Veränderungsvorhaben zu beurteilen.
8 Gründe, weshalb Change-Vorhaben scheitern
John P. Kotter, Professor der Harvard Business School, hat sich bereits früh mit Erfolgsfaktoren von Veränderungsprozessen auseinandergesetzt. Er hat unter anderem erforscht, weshalb 7 von 10 Change-Vorhaben scheitern – hier die acht häufigsten Gründe.
Viele der von ihm genannten Gründe haben mit der kulturellen Verankerung und der Adressierung der Veränderungsvorhaben auf Führungsebene zu tun.
Wie können Widerstände frühzeitig ausfindig gemacht werden?
Bei allen Formen des Widerstands – egal ob auf individueller oder organisationaler Ebene – wird von Reaktanz gesprochen. Reaktanz beschreibt das Gefühl, wenn sich ein Individuum aufgrund von Veränderungen in seiner Meinungsfreiheit und Verhaltensweise bedroht fühlt.
Vor allem in Transformationsprozessen lähmt Reaktanz immer wieder ganze Organisationen. Führungskräfte müssen sich deshalb umso mehr mit systemischen Methoden, transparenter Kommunikation und der psychologischen Sicherheit ihrer Mitarbeiter:innen auseinandersetzen.
Dabei gilt es, Widerstände frühzeitig ausfindbar zu machen, um diese bereits vor ihrem Auftreten adressieren zu können. Dazu dienen …
- Mitarbeitenden-Befragungen,
- qualitative Interviews,
- aber auch simple Beobachtungen.
Die sinkende Motivation im Team, vermehrte Konflikte oder auch eine Zunahme von Abwesenheiten sind erste Frühwarnsignale. Den Führungskräften kommt deshalb eine entscheidende Rolle zu. Sie sind in der Pflicht, durch aktives Zuhören diese Frühwarnsignale rechtzeitig zu erkennen.
Aktives Zuhören als wichtiger Bestandteil des Change-Managements
Das Konzept des aktiven Zuhörens geht auf den Psychotherapeuten Carl Rogers zurück. Durch aktives Zuhören wird das Ziel verfolgt, bewusst wahrzunehmen, was ein Gegenüber tatsächlich sagt, und angemessen darauf zu reagieren.
Gerade in hybriden Arbeitsmodellen gilt es, dem aktiven Zuhören bewusst mehr Raum und Zeit einzuräumen. Das wirkt zwar kurzfristig nach mehr Aufwand, mit Blick auf Widerstände in Veränderungsprozessen kann dieses Vorgehen aber langfristig viel Zeit und Geld sparen.
Wie können Widerstände konkret überwunden werden?
Wer Widerstände proaktiv beheben will, muss zwar systemisch vorgehen, aber vor allem die individuelle Ebene der betroffenen Personen adressieren. Dies gelingt, wenn auf der individuellen Ebene folgende fünf Zustände erreicht werden:
- Mitarbeiter:innen ist die Notwendigkeit der Veränderungen, einschliesslich der Art der Veränderung und der Risiken, die mit einer Nichtveränderung verbunden sind, bewusst.
- Der Beteiligung der Mitarbeitenden an der Veränderung ist erforderlich, da die intrinsische Motivation zu mehr Engagement und Einsatz im Projekt führt.
- Die Mitarbeitenden müssen geschult werden, damit sie über ausreichende Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, um die Veränderung umzusetzen.
- Und schliesslich sind Anreize zur Aufrechterhaltung der Veränderung essentiell, damit der / die Einzelne von der Veränderung profitieren kann.
Aus diesen fünf Zuständen hat der Change-Manager Jeff Hiatt das ADKAR-Modell entwickelt. Die Abkürzung steht für die fünf Kategorien: Veränderungs-Bewusstsein, -Wunsch, -Wissen, -Fähigkeit und -Anreize (Change Awareness, Change Desire, Change Knowledge, Change Ability und Change Reinforcement).
22 Fragen zur konkreten Abfrage nach Widerständen
Zur Adressierung auf der individuellen Ebene gehört auch, bei den Direktbetroffenen nachzufragen und ihre Bedenken frühzeitig zu verstehen. Veränderungsprozesse sind oft schwer greifbar und mit Emotionen verbunden. Das ADKAR-Modell kann auch helfen, um Widerstände und die Change-Bereitschaft von Mitarbeitenden besser greifbar und messbar machen zu können.
Folgende Fragen basierend auf dem Modell dienen zu einer stärker datenbasierten Vorgehensweise:
- Ich bin mir der Vision und der strategischen Ziele von [Unternehmen] bewusst, die (neu) festgelegt wurden.
- Ich weiss, dass [Unternehmen] eine neue Strategie verfolgt, die Veränderungen mit sich bringen wird.
- Ich bin zuversichtlich, dass die Veränderungen es mir ermöglichen werden, in Zukunft bessere Leistungen zu erbringen.
- Diese Veränderung ermöglicht es mir, neue Fähigkeiten zu entwickeln.
- Die Veränderung wirkt sich positiv auf meine zukünftigen Karrierepläne aus.
- Die in der Organisation vorgenommenen Änderungen sind notwendig.
- Ich glaube, dass die Änderungen gut für [Unternehmen] sind.
- Das Management kommuniziert Änderungen effektiv, bevor sie umgesetzt werden.
- Ich werde in den Prozess einbezogen, um die Auswirkungen der Änderungen zu verstehen.
- Zu folgenden Aspekten der organisatorischen Veränderung hätte ich gerne weitere Erläuterungen …
- Ich verstehe die Veränderungen, die bei [Unternehmen] anstehen.
- Insgesamt denke ich, dass [Unternehmen] in der Lage ist, die Veränderung zu bewältigen.
- Ich habe den Eindruck, dass das Änderungsprojekt gut geplant ist und nicht überstürzt durchgeführt wird.
- Mein/e Vorgesetzte/r hilft mir, mich an den neuen Prozess anzupassen.
- Was kann [Unternehmen] tun, um den Änderungsprozess für mich reibungsloser zu gestalten?
- Ich verfüge über ausreichende Fähigkeiten und Schulungen, um die Änderungen umzusetzen.
- Ich bin bereit, mich am neuen Projekt zu beteiligen und zum Erfolg der Veränderung beizutragen.
- Ich bin sicher, dass die neuen Prozesse zu einem besseren Arbeitsumfeld führen werden.
- Trotz der Änderungen und neuen Prozesse fürchte ich nicht um meine Arbeitsplatzsicherheit.
- Ich kann Bedenken bezüglich des neuen Prozesses äussern, und sie werden berücksichtigt/gehört.
- Obwohl es in [Unternehmen] und bei den Arbeitsabläufen viele Veränderungen gegeben hat, bin ich motiviert, weitere Veränderungen zu unterstützen.
- Ich akzeptiere, dass organisatorische Veränderungen meine tägliche Arbeit beeinflussen werden und dass ich mich anpassen muss.
Wie lautet die Zauberformel für erfolgreiche Veränderungsprozesse?
Wer erfolgreich Veränderungsprozesse gestalten und umsetzen will, hat viele verschiedene Hürden zu überwinden. Bereits vor einigen Jahren hat sich dazu die folgende Zauberformel für die erfolgreiche Umsetzung von Veränderungsprojekten etabliert: Vision & Strategie + Know How + Anreize + Ressourcen + Umsetzungsbegleitung (methodisches Coaching). Fehlt einer dieser Bestandteile in der Gleichung, führt dies entweder zu Verwirrung, Angst, Desinteresse, Frustration oder Hilflosigkeit.
Umgekehrt kann diese Gleichung auch helfen, um den jeweiligen Gründen für ein Scheitern von Veränderungen auf die Schliche zu kommen. Fast am wichtigsten dabei ist eine laufende Überprüfung während dem Veränderungsprozess und das regelmässige Einholen von Feedback sowohl innerhalb wie auch ausserhalb der Organisation.
Fragen? Andere Beispiele?
Welche Erfahrungen haben Sie selbst mit Veränderungsprozessen gemacht? Kennen Sie Beispiele von gelungenen Transformationsprozessen, bei welchen mögliche Widerstände frühzeitig adressiert wurden? Lassen Sie es mich gerne wissen, indem Sie die untenstehende Kommentar-Funktion nutzen oder mir auf einem anderen Kanal eine Nachricht zukommen lassen. Ich freue mich!
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