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Meist nach der Sommerpause beginnt in vielen Organisationen ein alljährliches Ritual. Die Vorbereitung auf den Budget-Prozess im Herbst ist für viele Teams ein vertrautes, aber oft auch frustrierendes Ritual: Intensive Meetings, endlose Excel-Tabellen und Diskussionen über Zahlen, die sich bis zum Jahresende sowieso bereits wieder verändert haben.
In Zeiten, in welchen sich Märkte nicht mehr an Jahresplanungen halten (falls das nicht sowieso stets eine Illusion war) und Unsicherheiten den Kostendruck treiben, scheinen Budget-Prozesse aus der Zeit gefallen zu sein. Doch die Kontrolle zu verlieren, stellt eine der grössten Ängste auf Top-Führungsstufe dar, obwohl die Kontrolle zu haben, zugleich eine der grössten Illusionen ist.
Welche Nachteile traditionelle Budget-Prozesse mit sich bringen
Kommt hinzu, dass traditionelles Budgetieren viele Schwachstellen aufweist:
- Die starren Zielvorgaben verleiten häufig zu Ressourcenverschwendung: Bei Ablauf des Jahres müssen noch vorhandene Mittel rasch ausgegeben werden, damit dasselbe Budget im nächsten Jahr wieder gesprochen wird.
- Budget-Diskussionen binden viele Ressourcen und sind zeitintensiv: Bei Volvo hatte man herausgefunden, dass allein 20% der Kapazitäten von Manager:innen durch Planungsprozesse gebunden werden.
- Durch feste Budgets verlieren Organisationen die Flexibilität und den Handlungsspielraum, um auf Dinge reagieren zu können, die sie nicht vorhergesehen haben.
- Zudem setzen starre Budget-Prozesse falsche Anreize und stärken eher den individuellen statt den gesamtheitlichen und kollaborativen Führungsansatz.
Unternehmen tun deshalb gut daran, das bisher etablierte und starre Vorgehen zu hinterfragen. Einen solchen frischeren Ansatz beim Budgetieren kann Beyond Budgeting bieten. Ziel von Beyond Budgeting ist es, das gesamte Potenzial der Mitarbeitenden auszuschöpfen und starre Unternehmensprozesse möglichst aufzulösen.
Welche Ziele mit agilen Budget-Prozessen erreicht werden können
Die Methode rückt Flexibilität und Agilität ins Zentrum der Unternehmensführung und befähigt Organisationen, dynamisch auf Herausforderungen zu reagieren. Zudem fördert die Methodik das Engagement und die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden.
Der Verzicht auf traditionelle Budgetierung bedeutet nicht, dass grundlegende Führungsinstrumente wie Planung, Leistungsmessung und -kontrolle aufgegeben werden. Vielmehr zielt Beyond Budgeting darauf ab, alle relevanten Managementprozesse systematisch neu zu gestalten.
Im Mittelpunkt von Beyond Budgeting stehen 12 Grundsätze, die als Grundlage für eine leistungsfähige Steuerung ohne Budgets dienen. Es handelt sich dabei nicht um eine Checkliste, sondern vielmehr um Leitprinzipien. Diese haben sich im Laufe der Jahre weiterentwickelt und wurden mehrmals aktualisiert, aber die Philosophie der dezentralen Führung dahinter hat sich nicht geändert.
Welche Führungsprinzipien die Basis von Beyond Budgeting legen
Sechs dieser Prinzipien beschreiben die organisatorischen und kulturellen Rahmenbedingungen, die für dezentrale Führung notwendig sind:
- Zweck: Mitarbeitende durch mutige, kommunizierte und langfristige gemeinsame Ziele stärker einbinden, was zu einem gemeinsamen Zweck und Streben führt, statt den Fokus auf kurzfristige finanzielle Ziele legt.
- Werte: Statt sich auf Details und Regeln zu konzentrieren, sollte sich die Führung stärker auf solide Werte und gesunden Menschenverstand stützen.
- Transparenz: Informationen werden offen geteilt, um den Mitarbeitenden zu ermöglichen, sich selbst zu regulieren und weiterzubilden, wodurch sie Eigenverantwortung und Innovation fördern können.
- Organisation: Indem die Arbeit in Teams mit geteilter Verantwortung organisiert und auf Kontrolle und Bürokratie verzichtet wird, wird das Gefühl der Zugehörigkeit gefördert.
- Eigenständigkeit: Basis der gemeinsamen Zusammenarbeit ist das Vertrauen in die Mitarbeitenden, dass sie im Interesse des Unternehmens handeln.
- Kunden: Die Arbeit jedes Einzelnen wird stärker an Aktivitäten gebunden, die einen echten Mehrwert für Kund:innen schaffen, um so Ziel- und Interessenkonflikte zwischen Abteilungen bestmöglich zu vermeiden.
Wie sich Managementprozesse mit Beyond Budgeting verändern
Die anderen sechs Prinzipien definieren die Voraussetzungen für einen Steuerungs- und Planungsprozess, der kontinuierliche und adaptive Managementansätze ermöglicht:
- Rhythmus: Den Geschäftsrhythmus nach Ereignissen und nicht nur nach dem Kalenderjahr organisieren.
- Zielvorgaben: Sich selbst gezielte, ehrgeizige und relative Ziele setzen und dabei «Wasserfalldenken» und starre Ziele vermeiden.
- Pläne und Prognosen: Planung und Prognosen zu agilen und unparteiischen Prozessen weiterentwickeln und dabei Innenpolitik bestmöglich vermeiden.
- Ressourcenzuweisung: Förderung des Kostenbewusstseins und Bereitstellung von Ressourcen bei Bedarf anstelle einer detaillierten jährlichen Budgetierung.
- Leistungsbewertung: Leistung ganzheitlich und nicht nur auf Basis von internen Kennzahlen, sondern mit Feedback von anderen Mitarbeitenden bewerten, um eine Lernerfahrung und Entwicklung zu ermöglichen.
- Belohnungen: Gemeinsame Erfolgserlebnisse als Anreize setzen, z.B. im Vergleich zu den Wettbewerbern und nicht auf Grundlage fester, historischer Leistungsvereinbarungen.
Es ist schwer zu definieren, ab welchem Level der Implementation dieser 12 Grundsätze Organisationen nach dem Beyond-Budgeting-Prinzip arbeiten. Viele Unternehmen orientieren sich zwar an den Grundsätzen, kombinieren diese allerdings mit anderen (agilen) Methoden, ohne sie explizit als Beyond Budgeting zu bezeichnen.
Wichtig zu verstehen ist, dass dieses Konzept bei weitem nicht neu ist: Bereits seit den 1980er Jahren wurden Konzepte des «budgetlosen Managements» oder des «dynamischen Managements» angewendet. Allesamt Synonyme für Beyond Budgeting, obwohl die klare konzeptionelle Verbindung zu den Prinzipien erst später entstand.
So lässt sich Beyond Budgeting in der eigenen Organisation implementieren
In bisherigen Budget-Prozessen wird letztlich versucht, drei unvereinbare Ziele gleichzeitig zu erreichen. Indem Unternehmen die drei Budget-Kernprozesse stärker voneinander trennen, lassen sich diese einzeln einfacher verbessern und in Richtung Beyond Budgeting weiterentwickeln.
- Zielsetzungsprozesse: In Budget-Prozessen werden Ziele festgelegt, um die Leistung zu motivieren und zu fördern. Doch diese Vorhaben erfordern ambitionierte Richtungsziele («stretch goals») statt kurzfristige Werte und Zielgrössen, um wirklich motivieren zu können.
- Forecast / Budgetierung: In Budget-Prozessen werden Prognosen für die Zukunft gemacht, die aber nur dann funktionieren, wenn es sich um realistische, unvoreingenommene Vorhersagen handelt. Dabei führen oft unterschiedliche Voraussetzungen und Annahmen innerhalb der Organisation zu anderen Resultaten. Ausserdem ist der Zeitrahmen für sinnvolle Prognosen oft länger als das in den meisten Budgets vorgesehene eine Jahr.
- Ressourcenzuweisung: In Budget-Prozessen werden Ressourcen auf Basis künftig angenommener Ausgaben zugewiesen. Damit will das Management die Kosten kontrollieren und bei Bedarf einschränkend eingreifen können. Doch damit wird längst nicht sichergestellt, dass die Ressourcen auch flexibel und kurzfristig den wertschöpfendsten Möglichkeiten zugewiesen werden.
Auf den ersten Blick wirkt die Abkehr von der traditionellen Budgetierung als ein Alles-oder-Nichts-Prozess. Doch der Weg dorthin kann in mehrere kleine und überschaubare Etappen unterteilt werden:
Die Einführung von Beyond Budgeting kann eine grosse Veränderung für das eigene Unternehmen darstellen und ist bei weitem nicht für jede Organisation gleich geeignet. Deshalb gilt es, vor der Implementation dieser Methodik eine gründliche Analyse der bestehenden Prozesse und Geldzuweisungen vorzunehmen, sowie einen Plan für den Übergang vom traditionellen zum moderneren Vorgehen zu erstellen. Oft sind mehrere kleinere Schritte notwendig, bevor man einen grossen Schritt wagt.
Um Beyond Budgeting zwar schrittweise aber trotzdem möglichst reibungslos in der eigenen Organisation einzuführen, kann auch eine Zielsetzungsmethode wie OKR hilfreich sein. Beide Methoden setzen auf klare, aber auch flexibel gehaltene und regelmässig überprüfbare Ziele, Transparenz und Selbstverantwortung durch Fachexpert:innen in den Teams.
Um noch heute (oder für den Budgetprozess 2025) konkret mit Beyond Budgeting zu starten, wählen Sie sich am besten ein Pilotprojekt aus. Nach regelmässiger Evaluation des Fortschritts kann dieser Ansatz schrittweise (und vielleicht im Budgetprozess 2026 oder 2027) auf die gesamte Organisation ausgeweitet werden.
Damit wird sichergestellt, dass Veränderungen nicht mehr als einmalige Change-Programme verstanden werden, sondern als ein selbstverständlicher, permanenter Prozess und Teil der neuen Unternehmenskultur, um sich kontinuierlich und mit der notwendigen Flexibilität weiterzuentwickeln.
Fragen? Andere Beispiele?
Welche Erfahrungen haben Sie selbst mit Budget-Prozessen gemacht? Kennen Sie Beispiele, bei welchen Budget-Prozesse modernisiert wurden? Lassen Sie es mich gerne wissen, indem Sie die untenstehende Kommentar-Funktion nutzen oder mir auf einem anderen Kanal eine Nachricht zukommen lassen. Ich freue mich!
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