Künstliche Intelligenz Strategie

Wie Apple Intelligence die Mediennutzung grundlegend verändern wird

Bisher kaum beachtet, könnte die generative KI von Apple einen Wendepunkt für das ganze Medien-Ökosystem darstellen – ein Überblick der potenziellen Auswirkungen.
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Nichts weniger als eine neue Definition für die Abkürzung von AI hatte Apple im Juni letzten Jahres angekündigt: «Apple Intelligence – AI for the rest of us.» Mit den neuen KI-Funktionen will Apple seinen Nutzer:innen unzählige Möglichkeiten zum vereinfachten Schreiben, Bearbeiten von Bildern und Erledigen von Aufgaben zur Verfügung stellen.

Mit dem Versprechen, dass persönliche Daten nie weitergegeben und Anfragen direkt auf dem Gerät verarbeitet werden, versucht sich der Technologie-Anbieter noch stärker als Verfechter von Privatsphäre und Datenschutz zu positionieren. Gleichzeitig unterstreichen diese Neuerungen den starken Trend hin zur vollständigen Integration von KI-Modellen in tägliche Anwendungen und Produkte.

Weshalb könnte Apple Intelligence so mächtig werden?

Bisher hatte Apple die neuen Funktionen vor allem als Effizienzsteigerungen im Alltag positioniert. Doch die Entwicklungen markieren einen Wendepunkt für das gesamte Medien-Ökosystem – spätestens sobald die Funktionen auch in Europa ankommen. Das soll noch im April 2025 mit dem neuesten Betriebssystem-Update iOS 18.4 der Fall sein.

Mit dem starken Privatsphäre-Ansatz definiert Apple aktuell die Personalisierung im grossen Stil neu. Apple Intelligence soll künftig nicht nur Anfragen beantworten, sondern die Absicht dahinter verstehen und sich in andere Apps integrieren lassen können. Das geht weit über eine simple Integration von ChatGPT auf dem eigenen Gerät hinaus. Diese tiefe und hyperpersonalisierte Art der KI hat das Potenzial, die Nutzer:innen noch stärker an das Apple-Ökosystem zu binden.

Mit der Einführung von Apple Intelligence in Deutsch, Chinesisch, Französisch, Italienisch, Japanisch, Koreanisch, Portugiesisch und Spanisch wird ein KI-Agent zum ersten Mal für die breite Masse greifbar. Nach wie vor gehören Apple-Smartphones weltweit zu den meistverkauften Geräten. In Europa liegt Apple zusammen mit Samsung mit je einem Drittel Marktanteil gleichauf. Das zeigt: Für die Einführung von Apple Intelligence muss sich Apple nicht erst noch am Markt beweisen, sondern kann bereits auf einem etablierten Millionen-Markt aufsetzen.

Welche Auswirkungen hat Apple Intelligence auf Medienhäuser?

Ob Apple Intelligence, ChatGPT, Gemini oder Perplexity: Generative KI beeinflusst Medienhäuser gleich doppelt. Sowohl auf der Produktionsseite (über Tools zur Effizienzsteigerung von Prozessen) als auch auf der Nutzungsseite (über Veränderungen in der Distribution und Mediennutzung).

Mehr Privatsphäre, weniger Auswertungsmöglichkeiten

Das neue Update von Apple wird auch den Posteingang mithilfe von Apple Intelligence grundsätzlich verändern.

Apple ist bei der Distribution von Medieninhalten ein zweischneidiges Schwert: Zum einen führen Apples strenge Kontrollen über das eigene Ökosystem dazu, dass Partnerschaften auf einer hochwertigen Umgebung aufsetzen können. Allerdings hat der gestärkte Privatsphären-Ansatz auch eine eingeschränkte Weitergabe von Nutzungsdaten zur Folge. Somit bestehen weniger Möglichkeiten, das Verhalten der Nutzer:innen zu analysieren und daraus für die Weiterentwicklung von Medienprodukten zu lernen. Dieses restriktive Vorgehen mit Nutzungsdaten kennt man bereits von Apple Podcasts.

Ähnliches war auch bei der Einführung der Funktion «Mail Privacy Protection» im Herbst 2021 zu beobachten. Seit damals will Apple verhindern, dass die Absender:innen von Mails das Öffnungsverhalten der Empfänger:innen analysieren können. In einem nächsten Schritt hat Apple nun geplant, mithilfe von Apple Intelligence eine Vorselektion der einkommenden Mails durchzuführen.

Mit dem Apple Intelligence-Update soll eine neue Posteingangsfunktion eingebaut werden, welche die Mails der Nutzer:innen in vier Kategorien einteilt. Gerade mit Blick auf die wichtigere Rolle von Newslettern könnte dies für Medienhäuser eine schlechte Nachricht sein. Wenn Newsletter künftig nicht mehr automatisch direkt in meinem primären Postfach auftauchen, werden sie weniger Sichtbarkeit, also weniger Nutzung, weniger Gewohnheit und weniger Markenbekanntheit auslösen.

Abhängigkeit von Apple als Zwischenhändler in der Distribution

Auswertung von Comscore zur Traffic-Verteilung von ChatGPT und Perplexity für Medienhäuser.

Apple will künftig stärker direkt über die Siri-Funktion personalisierte Antworten liefern. Die dadurch erstellten, personalisierten und kontextbasierten Resultate führen zwar zu einem angenehmeren Nutzungserlebnis. Doch die Leser:innen haben aufgrund dessen auch weniger Anreize, um Originalquellen oder gar mehrere Informationsanbieter gleichzeitig zu konsultieren. Eine aktuelle Auswertung von Comscore kam zum Schluss, dass gerade mal bei 3 % der KI-Antworten von ChatGPT und Perplexity auf Medieninhalte verwiesen wird.

Kommt hinzu, dass sich bei den durch generative KI verarbeiteten Inhalten unzählige Fehler einschlichen. So analysierte BBC in einer Untersuchung die Antworten auf 100 nachrichtenbezogene Fragen – mit erschreckenden Resultaten: 51 % der Antworten wiesen erhebliche Mängel auf, wobei 19 % faktische Fehler und 13 % verfälschte oder fehlende Zitate enthielten. 

Künstliche Adaption und Verfälschung von Medieninhalten

Screenshot der von der Apple Intelligence falsch zusammengefassten Push-Benachrichtigungen.
Apple Intelligence produziert Fake-News-Produzent.

Gross war der Aufschrei, als Apple Anfang Jahr in Englisch die KI-Funktion für zusammengefasste Push-Benachrichtigungen ausrollte. Die Nachricht, dass «Apple News Demenz rückgängig mache», war dabei beinahe ein harmloser Fehler. Verschiedentlich wurden News-Meldungen von der KI verkürzt und verfälscht zusammengefasst.

BBC, Reporter ohne Grenzen und auch die grösste Journalistengewerkschaft «National Union of Journalists» beschwerten sich daraufhin bei Apple, mit dem Resultat, dass die Funktion kurzerhand zurückgezogen werden musste.

Dass Apple bereits lancierte Produkte wieder vom Markt nimmt, kam bisher äussert selten vor. Die starke Reaktion zeigt, wie technologisch heikel Experimente in diesem Bereich sind und dass zahlreiche juristische Fragen noch immer ungeklärt sind.

Bild-Fälschungen auf Knopfdruck

Als Teil der Apple Intelligence stellte Apple auch die Funktionen «Image Playground» und «Clean Up» vor. «Clean Up» hilft, um schnell ungewollte Bildinhalte zu entfernen. «Image Playground» wiederum wurde als lustige Spielerei zur Erstellung von detaillierten Bildern auf Basis von einfachen Skizzen vermarktet. Beide Funktionen bergen allerdings auf den zweiten Blick sehr viel mehr Sprengkraft.

Durch die einfache Bedienung können auch technisch unerfahrene Personen mit wenig Aufwand realistisch wirkende Bilder erzeugen und Details auf Knopfdruck verändern oder entfernen lassen. Beides kann bewusst oder unbewusst zur Irreführung genutzt werden. Einmal erstellt oder bearbeitet, verbreiten sich solche Bilder in Windeseile und binden umso mehr Ressourcen bei der Inhalte-Verifikation.

Wie können Medienhäuser auf Apple Intelligence reagieren?

Die wichtigste Nachricht zuerst: Es ist noch nicht zu spät. Die Apple Intelligence-Funktionen werden voraussichtlich im April 2025 in verschiedenen europäischen Ländern lanciert – mit einer Ausnahme. Die grundsätzlich überarbeitete und mit neuen Sprachfähigkeiten ausgestattete Siri-Version wird erst in einem nächsten Update nachgeliefert. Offenbar ist man bei Apple zum Entschluss gekommen, die versprochene Zuverlässigkeit von Apple Intelligence als höchste Priorität zu sehen, bevor man sich einer zusätzlichen, sehr anspruchsvollen Baustelle annimmt.

Was klar ist: Die Einführung von Apple Intelligence wird die Messlatte für personalisierte, KI-gestützte Nutzungserlebnisse nochmals merklich höher legen. Verlage jeder Grösse sollten deshalb ab sofort – falls nicht schon längst geschehen – technische Voraussetzungen schaffen (vom KI-fähigen CMS bis zur Klärung der Schnittstellen für Apple-News-Feeds), das eigene Geschäftsmodell auf personalisierte Premium-Inhalte ausrichten und die Redaktionsteams noch stärker im verantwortungsvollen Umgang mit KI-Tools schulen. Jede Investition in diese Vorbereitung ist ein Schritt in Richtung Sicherung der eigenen Zukunft und Innovationsführerschaft innerhalb der Branche.

Nebst der Herausforderung mit Apple Intelligence löst die aufkommende «Search Generative Experience» ähnliche Herausforderungen aus. Weitere Möglichkeiten, wie sich Medienhäuser ganz konkret auf die Umstellung der Inhaltesuche im Netz vorbereiten können, habe ich in diesem Artikel zusammengestellt.

Fragen? Andere Beispiele?

Haben Sie sich in Ihrer Organisation bereits mit Apple Intelligence auseinandergesetzt? Wie versuchen Sie auf diese neue Herausforderung zu reagieren? Lassen Sie es mich gerne wissen, indem Sie mir auf dem Kanal Ihrer Wahl eine Nachricht zukommen lassen. Ich freue mich!

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