Strategility: Diese Methode ermöglicht agile Strategiearbeit

Immer mehr Organisationen haben in den letzten Jahren festgestellt: Strategiearbeit ist weder ein fixer Plan noch eine einmalige Zukunfts-Checkliste. Vielmehr gleicht sie einem Muskel, der regelmässig trainiert werden muss. Dazu gehört laufendes Beobachten, Ordnen, Zweifeln, Diskutieren, Entscheiden, Umsetzen und Auswerten.
Zahlreiche Entscheide mit hoher Tragweite in Unternehmen müssen unterdessen unter zunehmender Unsicherheit getroffen werden. Das führt dazu, dass sich Organisationen entweder ganz vor Entscheiden drücken oder in Aktionismus verfallen. Beides hat mit strategischer Arbeit wenig zu tun, frisst aber gleichermassen Ressourcen und stärkt langfristig kaum die Marktposition der jeweiligen Firma.
Gerade in dynamischen Zeiten braucht es deshalb neue Methoden, um die Strategiearbeit anschlussfähig in den Arbeitsalltag zu übersetzen. Viele Organisationen sind hier zwischen zwei Extremen gefangen: Klassische Strategieprozesse liefern zwar Orientierung, bleiben aber oft folgenlos und sind mindestens nach einem Quartal wieder veraltet. Selbstorganisation und agiles Vorgehen ermöglichen zwar mehr Flexibilität und Selbstverantwortung, führen aber oft zu Insellösungen und fehlendem Fokus.
Warum Strategien häufig an der Umsetzung scheitern
Je nach Studie scheitern zwischen 70 und 90 % der Strategieprojekte. Das liegt nicht daran, dass Organisationen keine Strategien entwickeln können. Vielmehr misslingen die Projekte in der Umsetzung. Vielfach ist dafür einer der folgenden Gründe verantwortlich, welche ich allesamt bereits zuhauf in Organisationen angetroffen habe.

Unklare Prioritäten: Alles ist gleich wichtig
Strategische Ziele werden zu breit oder widersprüchlich formuliert. Die Teams wissen nicht, worauf sie sich fokussieren sollen. Die Folge: Ressourcen laufen ins Leere, die Energie verpufft und die individuelle Motivation sinkt auf den Nullpunkt.
Was dagegen hilft: Weniger ist mehr. Auf ein Maximum von 3 bis 5 strategischen Prioritäten pro Strategiezyklus fokussieren. Bewusst auch darüber sprechen, was nicht getan werden soll.
Fehlende Übersetzung: Strategie verharrt im Führungskreis
Die Strategie ist als PowerPoint oder Visionspapier formuliert, aber nicht in den Arbeitsalltag überführt. Vielfach verfügt nur ein ausgewählter Kreis an Eingeweihten über die notwendigen Informationen. Die Folge: Operative Teams sind orientierungslos oder entwickeln eigene Interpretationen und Prioritäten.
Was dagegen hilft: Die Strategie in konkrete, verständliche Sprache übersetzen. Führungskräfte aktiv in die Vermittlung einbinden und Formate wie Strategie-Dialoge oder regelmässige Team-Check-ins etablieren.
Kein Lernzyklus: Fixe Pläne statt Reflexions-Prozesse
Die Umsetzung wird als linearer Plan mit einem klaren Anfang und Ende betrachtet. Starre Hierarchien, Silodenken und Angst vor Fehlern verhindern die notwendigen Lernprozesse. Die Folge: Veränderungen oder neue Erkenntnisse führen zu Irritationen statt Akzeptanz. Die Strategie wird als Angriff auf die bestehende Unternehmenskultur verstanden.
Was dagegen hilft: Die Umsetzung in kürzeren Zeit-Zyklen strukturieren (z.B. quartalsweise). Frühzeitig Hypothesen formulieren und diese in Retrospektiven oder Strategie-Reviews validieren.
Ownership fehlt: Alle wollen mitreden, aber niemand ist verantwortlich
Strategische Themen werden in zahlreichen Workshops breit diskutiert und unzählige Personen möchten in den Entwicklungsprozess einbezogen werden. Doch am Ende bleibt unklar, wer wirklich entscheidet und in der Strategieumsetzung für die Ergebnisse verantwortlich ist. Die Folge: Strategische Themen verlieren an Zugkraft und Entscheidungen werden verwässert. Es herrscht eine kollektive Unverbindlichkeit ohne grosse Konsequenzen.
Was dagegen hilft: Klare Verantwortlichkeiten für jedes Ziel bzw. jede strategische Massnahme festlegen. Zuständigkeiten und Fortschritt regelmässig in Dashboards und Meetings transparent machen.
Unrealistische Ressourcenplanung: Wunschdenken statt Realitätsabgleich
Strategische Initiativen werden beschlossen, ohne zuvor realistisch zu prüfen, ob überhaupt die dafür benötigten Ressourcen verfügbar sind. Dazu gehören in erster Linie Zeit, aber auch das Personal mit den notwendigen Kompetenzen und allenfalls auch freies Projekt-Budget. Die Folge: Strategiearbeit verliert an Glaubwürdigkeit, weil sie nebenbei gemacht werden soll. Engpässe führen zu Frustration, Verzögerungen und Qualitätseinbussen.
Was dagegen hilft: Vor jedem strategischen Vorhaben eine verbindliche Einschätzung zu Kapazitäten und Machbarkeit z.B. bei betroffenen Teams einholen. Frühzeitig festlegen, wer mit welcher Expertise mitarbeitet und wie Qualifikationslücken geschlossen werden können.
Wie der Nordstern mit dem Strategie-Rahmen und der -Methode zusammenhängt
Soll die Strategie in Organisationen überarbeitet werden, ist eine klar formulierte Vision unabdingbar. Mit zunehmender Unsicherheit hat sich in vielen Unternehmen allerdings die Funktion der Vision gewandelt und anstelle dessen wird häufiger mit einer Nordstern-Formulierung gearbeitet. Während die Vision meist einen idealisierten und statischen Zielzustand in der Zukunft skizziert, dient der Nordstern als zeitlose, prozesshafte Orientierung. Er beschreibt nicht nur, wohin sich eine Organisation verändern will, sondern auch, wie sie sich auf diesem Weg kontinuierlich weiterentwickelt.

Der Nordstern ist ein langfristiger, sinnstiftender Orientierungspunkt, der Haltung und Handlung miteinander verbindet und dadurch stärker in den Alltag hinein wirkt. Er kann als verbindender Bezugspunkt für strategische Entscheidungen, Priorisierungen und kulturelle Entwicklungen dauerhaft beigezogen werden.
Um aus dem Nordstern eine konkrete Strategieumsetzung ableiten zu können, braucht es einen klaren strategischen Rahmen. Dieser besteht typischerweise aus Handlungsfeldern und Meilensteinen: Die Handlungsfelder beschreiben die strategischen Prioritäten, während Meilensteine die zeitlichen Etappen auf dem Weg zum Zielbild definieren.
Damit die Strategiearbeit nicht nur Theorie bleibt, braucht es schliesslich eine bewusste Entscheidung zur methodischen Umsetzung. Hierzu hat sich in vielen Organisationen unterdessen die OKR-Methodik etabliert. Diese Umsetzungsweise macht strategische Ziele operativ anschlussfähig: Dazu werden konkrete, messbare Resultate für definierte Zeiträume formuliert und regelmässige Lernzyklen gefördert. Im Zusammenspiel entsteht so eine lebendige Strategiepraxis, bei der Purpose, Fokus und Handeln kontinuierlich miteinander verknüpft sind.
Wie Strategility strategisches Management und Agilität kombiniert
Die Prinzipien der OKR-Logik können nicht nur für die Umsetzung von strategischen Massnahmen genutzt, sondern auch auf den gesamten Strategieprozess ausgeweitet werden. Wird die klassische Strategie mit der Anpassungsfähigkeit agiler Prinzipien kombiniert, entsteht daraus die Strategility-Methode.
Im Kern geht es darum, Strategie nicht mehr als linearen Plan zu verstehen, sondern als lernenden, dynamischen Prozess. Dabei werden relevante interne und externe Wissensträger:innen eingebunden, um die Strategie in kollaborativen, selbstverantwortlichen Teams gemeinsam zu entwickeln und in die Umsetzung zu bringen.
Strategility beschreibt den Strategieprozess als kontinuierlichen Informations- und Erkenntnisfluss zwischen drei Phasen: die Strategieausrichtung («fähig werden»), die Strategieentwicklung («anders werden») und die Strategieumsetzung («besser werden»).

Die drei Prozess-Phasen der Strategility-Methode im Überblick:
Strategieausrichtung: Hier werden grundsätzliche Richtungsentscheidungen getroffen und ein Nordstern / Zielbild sowie eine Stossrichtung (Strategie-Scope) definiert. Dies dient als Grundlage und Orientierungshilfe für die weitere Strategiearbeit.
Strategieentwicklung: In dieser Phase werden Strategieelemente formuliert, Annahmen mit Hypothesen und Tests überprüft und eine validierte Gesamtstrategie daraus abgeleitet. Der Prozess ist evidenzbasiert und iterativ.
Strategieumsetzung: Hier wird die Strategie mit konkreten Massnahmen geplant, umgesetzt und kontrolliert. Der kontinuierliche Rückfluss der Ergebnisse und Erkenntnisse in die Strategieentwicklung ist dabei wichtig, um sicherzustellen, dass die Strategie laufend aktualisiert und wirksam gehalten werden kann.
Welche Prinzipien die Strategility-Methode wirksam machen
Um Strategiearbeit bestmöglich mit der Logik der Agilität zu verknüpfen, orientiert sich die Strategility-Methode konsequent an fünf Prinzipien:
- Alignment: Strategische Überlegungen und Entscheidungen werden konsequent an der strategischen Herausforderung sowie am Nordstern / Vision, den Werten der Organisation sowie der Stossrichtung (Strategie-Scope) ausgerichtet, um langfristige Orientierung und operative Umsetzung zu verbinden.
- Evidenz: Entscheidungen beruhen auf den besten verfügbaren Informationen, expliziten Annahmen und können als nachvollziehbare Grundlage für die Strategieevaluation genutzt werden.
- Iteration: Die Strategiearbeit erfolgt in bewussten Lernzyklen, die aktuelle Erkenntnisse integrieren und kontinuierliche Anpassungen ermöglichen.
- Kollaboration: Entscheidungen entstehen in kollaborativen Prozessen mit relevanten Akteur:innen und machen Informationen nachvollziehbar, kontextbezogen und anschlussfähig.
- Autonomie: In definierten Leitplanken werden Freiräume für dezentrale Entscheidungen geschaffen, wodurch unnötige Genehmigungsschleifen entfallen.
Falls Sie sich vertieft mit der Strategility-Methode auseinandersetzen möchten, kann ich Ihnen das neu erschienene Buch «Toolbox Strategility» von Kerstin Pichel, Thomas Haas und Bernhard Kruschitz wärmstens empfehlen.
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