«Mitte 20 leihen wir uns noch Geld von unseren Eltern, um ein unbezahltes Praktikum in der Medienbranche zu absolvieren. In dieser Branche, die so sehr verschlafen und Vitamin-B gesteuert ist, dass man ihr vielmehr eine Revolution statt eine Evolution wünscht.» Diese und weitere kantige Aussagen gab der junge Journalist Andreas Griess im Rahmen der Social Media Week in Hamburg zum Besten. Eine Zusammenfassung seiner Rede.
«Wir sprechen mindestens zwei Fremdsprachen, Programmiersprachen nicht eingerechnet», erklärt Journalist Andreas Griess vor versammelter Zuhörerschaft an der Social Media Week in Hamburg. Und der 26-Jährige fährt fort: «Wir können mit Geräten umgehen, die von ‚Verlegern noch als potentiell monetarisierbare Endgeräte angesehen werden, für deren publizistischen und ökonomischen Nutzen eine externe Agentur ein mittelfristiges, auf die entsprechende Verlagsstrukturen massgeschneidertes Konzept entwickeln soll.‘
Mit Mitte 20 leihen wir uns noch Geld von unseren Eltern, weil wir in einem unbezahlten Praktikum sitzen. Und nach den Praktika bekommen wir oft ein unterbezahltes Volontariat gesprochen, bei welchem nicht wir die Fortbildung erhalten, sondern wir den älteren Kollegen erklären, wie dieses CMS überhaupt funktioniert.
Rede von Andreas Griess beginnt bei Minute 27:40.
Diese Branche ist so verschlafen, so Vitamin-B gesteuert, die hat uns echt nicht verdient. Egal ob man nun streng links oder streng marktliberal ist, muss man zum Schluss kommen: Das Alte muss weg. Deshalb sollte die Politik nicht Verlage fördern, sondern Journalisten.
Ich halte den Medienwandel nicht für ein Naturereignis. Es ist jetzt keine Evolution, bei der diejenigen sterben, die sich nicht anpassen. Es ist vielmehr eine Revolution – und bei Revolutionen rollen Köpfe.
An alle jungen Journalisten: Wir sollten uns zum Motto machen: ‚Frag nicht, was kann die Medienbranche für dich tun, sondern was kannst du gegen die Medienbranche tun?‘ Ich meine, die Dinosaurier hatten ihre Chance. Lasst uns nicht John Hammond, das ist der Mann aus Jurassic Park sein, sondern der Meteorit.
Wir sollten eigene Publikationen erschaffen, eigene Webseiten, eigene Blogs, ja sogar eigene Printmagazine. Wir sollten einfach selbst versuchen, unser Arbeitgeber zu sein. Und wenn wir eine gute Idee haben, sollten wir diese jetzt umsetzen. Und das bedeutet, wir selber sollten dies sein und jetzt sollten wir es umsetzen.
Mark Zuckerberg hat auch nicht erst ein unbezahltes Praktikum bei Myspace oder Friendster gemacht, bevor er seine Website gestartet hat. Wir sollten einfach versuchen, bei denjenigen, die uns jetzt nicht vernünftig bezahlt einstellen, dafür zu sorgen, dass sie dies auch in ein paar Jahren bereuen.»
Beste Zeit, um in den Journalismus einzusteigen
Weshalb publiziere ich diese Aussagen hier? Ich bin privilegiert, habe einen tollen Job und stehe täglich mit Freude auf. Trotzdem spricht mir Andreas Griess aus der Seele. Zu oft höre ich das Wehklagen von ehemaligen Mitstudenten oder anderen jungen Brancheneinsteigern. Obwohl an allen Ecken und Enden im Medienbereich gespart wird, bin ich mir noch immer sicher, dass jetzt die beste Zeit ist, um im Journalismus Fuss zu fassen. Dazu braucht es allerdings den Mut und die Kreativität, aus alten Bahnen auszubrechen und in neuen Modellen zu denken.
Ebenfalls ein junger Branchenvertreter aus der Schweiz, Corsin Zander, formuliert es so: «Ich kann das Gejammer nicht mehr hören! Ja, die Löhne und die unregelmässigen Arbeitszeiten sind miserabel. Ja, es ist eine Schweinerei, dass die Tamedia Stellen abbaut und grosszügig Dividenden an die AktionärInnen ausschüttet. [..] Und trotzdem: Ich könnte mir keinen besseren Beruf vorstellen.»
Deshalb sollten wir jetzt aktiv werden, jetzt in Teams zusammenarbeiten und uns nicht länger von alten, längst vergangenen Vorbildern die Welt erklären lassen.
1 Kommentar
Wunderbare Worte. Vielen Dank!