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Ob Stress, Frust oder fehlende Entwicklungsmöglichkeiten: In den letzten Monaten war vielerorts von steigender Job-Unzufriedenheit bei Mitarbeiter:innen zu lesen. Die Pandemie-Krisenjahre haben Spuren hinterlassen. Bereits 2021 wurde von «The Great Resignation» gesprochen – aktuelle Zahlen unterstreichen nun diesen Trend.
Laut einer aktuellen Umfrage von PWC bei 52’000 Arbeitnehmer:innen in 44 Ländern will jede fünfte Person in diesem Jahr den aktuellen Job verlassen. In der Schweiz sind rund 50% der Menschen mit ihrer Arbeitsstelle nicht mehr zufrieden. In Österreich kam eine Studie soeben zum Schluss, dass jede zweite Kündigung hätte vermieden werden können.
Warum sind so viele Menschen unzufrieden mit ihrer gegenwärtigen Arbeitssituation?
Offenbar sehen aktuell viele Arbeitnehmer:innen nur noch die Kündigung als einzig mögliche Option. Oder zumindest haben sich viele bereits geistig von ihrem Job abgemeldet, wie der Trend-Begriff «Quiet Quitting» vermuten lässt.
Auf der Suche nach den Gründen dieser Unzufriedenheit, müssen wir uns die Antworten der Umfragen aus den letzten Monaten etwas genauer anschauen: Eine Mehrheit der Arbeitnehmer:innen erhoffen sich von einem Jobwechsel eine Gehaltssteigerung.
Doch ähnlich häufig wird die Suche nach Erfüllung im Job, bisher fehlende Möglichkeiten zur eigenen Weiterentwicklung, unzureichende Flexibilität bei Arbeitszeit und -ort oder generell die Unzufriedenheit mit Führungskräften genannt.
Die vermeintlich weicheren Faktoren zeigen, dass ein Grossteil dieser Kündigungen hätten verhindert werden können. In Zeiten des zunehmenden Fachkräftemangels tun Unternehmen deshalb gut daran, in die eigenen Mitarbeiter:innen, in Methodik und Prozesse, aber vor allem in die Unternehmenskultur zu investieren.
Denn die Problematik wird sich in den nächsten Jahren nicht von alleine lösen – im Gegenteil. Schaut man sich die Zahlen z.B. für die Schweiz in den Jahren 2025 bis 2035 an und bezieht demografische Entwicklungen wie auch den Strukturwandel mit ein, so wird sich die bereits bestehende Lücke am Arbeitsmarkt mehr als verdoppeln.
Was bedeutet eine starke Unternehmenskultur?
Wer in Zeiten von ständigem Wandel und laufend notwendiger Anpassungsfähigkeit ein Unternehmen leitet, kann dies nicht mehr mit den Rezepten von gestern tun. Deshalb gehört nebst der Strategiearbeit auch die laufende Arbeit an der Unternehmenskultur zu den wichtigsten Führungshebeln. Diese sollten nicht nur die Top-Manager:innen eines Unternehmens heutzutage beherrschen.
Die Strategie eines Unternehmens kann eine formale Logik zur Formulierung von Zielen liefern und dient zur Orientierung für die Mitarbeitenden. Die Unternehmenskultur wiederum unterstützt das Erreichen der Ziele im Alltag durch geteilte Werte, Normen und Überzeugungen.
Während man Strategie-Arbeit lernen und durch regelmässige Praxis auch schulen kann, ist die Arbeit an der Unternehmenskultur schwerer fassbar. Oft besteht die Kultur einer Organisation aus unausgesprochenen Gepflogenheiten, Denkweisen und sozialen Mustern.
Es handelt sich bei der Unternehmenskultur aber längst nicht nur um ein starres und unveränderbares Gebilde, das theoretisch und weit weg von mir als Mitarbeiter:in liegt. Betrachtet man zum Beispiel Themen wie die psychologische Sicherheit, Chancen-Gleichheit zwischen Alt und Jung sowie Frauen und Männern oder flexible Arbeitsmodelle, wirkt sich die Unternehmenskultur durchaus spürbar auf individueller Ebene aus.
Umso wichtiger ist es, die Arbeit an der Unternehmenskultur als ständigen Prozess zu verstehen, bei welchem sämtliche Beteiligten laufend mitprägen und dazulernen können. Dies bedingt allerdings, dass solche Lernprozesse mit entsprechender Methodik und Überprüfbarkeit im Unternehmen lanciert, etabliert und dann auch nachgehalten werden.
Im Guten wie im Schlechten sind Unternehmenskultur und Führung untrennbar miteinander verbunden. Wenn die Kultur mit den persönlichen Werten, Antrieben und Bedürfnissen in Einklang gebracht wird, kann sie enorme Energien für ein gemeinsames Ziel freisetzen und den Erfolg einer Organisation fördern.
Weshalb zahlen sich Investitionen in die Unternehmenskultur aus?
Wenn es um die Arbeitskultur eines Unternehmens schlecht steht, spricht sich das oft schneller rum, als dies gegen Aussen sichtbar ist. Erste Anzeichen von Problemen auf der kulturellen Ebene sind sinkende Zufriedenheits- und Motivationswerte in einzelnen Teams und die Zunahme des «Dienst nach Vorschrift»-Denkens.
Dies beeinflusst wiederum andere Teams und führt schliesslich zu mehr Abgängen bei den bisher motivierten Arbeitskräften. In einem nächsten Schritt werden diese Abgänge auch ausserhalb des Unternehmens wahrgenommen, mit der Folge, dass sich Rekrutierungsprozesse als umso schwieriger gestalten.
Positiver formuliert zahlen sich Investitionen in die Unternehmenskultur und eine laufende Arbeit an Prozessen und Strukturen einer Organisation an unterschiedlichen Stellen aus:
- Negative Stimmung, latenter Frust und ständiges Lästern innerhalb von Teams nimmt ab.
- Die Mitarbeiter:innen-Fluktuation kann gesenkt werden, wertvolles Wissen und Erfahrung bleiben im Unternehmen.
- Die Motivation von einzelnen Team-Mitgliedern und damit die Selbstverantwortung nehmen zu.
- Die Kollaboration in Teams wird gefördert, es entsteht ein Wir-Gefühl.
- Es werden mehr innovative und nachhaltige Ideen entwickelt.
- Mitarbeitende geben sich nicht mit der erstbesten Lösung zufrieden und sind bereit, einen Sonderaufwand zu leisten.
- Die Rekrutierung von neuen und wieder zu besetzenden Stellen gestaltet sich einfacher.
- Wenn Fehler geschehen, fallen diese früher auf und werden proaktiv und ohne Schuldzuweisung angesprochen.
- Zeit, Energie und weitere wertvolle Ressourcen werden gespart.
- Das Wachstum und der Erfolg des Unternehmens werden nachweislich gesteigert.
Sämtliche dieser Punkte lassen sich nicht mit einer einmaligen Investition von heute auf morgen ändern. Im Gegenteil: Es braucht einen echten Investitionswillen, Ausdauer und ein regelmässiges Nachhalten, damit die Arbeitskultur im Unternehmen langfristig gestärkt werden kann.
Wie entwickelt man eine starke Unternehmenskultur?
Die Entwicklung einer starken Unternehmenskultur steht und fällt mit der Definition einer gemeinsamen Vision und geteilten Unternehmenswerten. Folgende fünf konkrete Schritte verhelfen Ihnen und Ihrer Organisation zu einer starken Unternehmenskultur:
1. Status quo analysieren
Bevor Sie einen grossen Kulturprozess lostreten, lohnt es sich, den Status Quo zu analysieren und Bestehendes im positiven Sinne festzuhalten und darauf aufzubauen. Hören Sie dabei Ihren Mitarbeiter:innen zu. Gemeinsame Werte können nur in Zusammenarbeit entstehen. Neu in die Organisation eingetretene Personen sind hierzu Gold wert: Sie haben oft einen neutraleren Aussenblick, der für eine Spiegelung der vorherrschenden Arbeitskultur sehr nützlich sein kann.
Leitfragen für diesen Schritt:
- Welche Werte machen unser Unternehmen einzigartig?
- Welche Kultur benötigen wir, um aktuelle und künftige Herausforderungen meistern zu können?
2. Vorgehen planen, Verantwortlichkeiten klären
Nichts ist schlimmer als unendliche und ziellose Kultur-Prozesse, bei welchen in unzähligen Arbeitsgruppen über die eigene Selbstfindung diskutiert wird. Deshalb lohnt es sich, klare und messbare Ziele, einen Budgetrahmen, Rollen der beteiligten Personen sowie einen Zeitplan zu definieren. Auch wenn es sich bei Kulturentwicklungen um laufende Prozesse handelt, ist es wichtig, Zwischenschritte und klare Verantwortlichkeiten zu definieren.
Leitfragen für diesen Schritt:
- Was wollen wir bis wann geklärt haben?
- Benötigen wir für die Kulturentwicklung externe Unterstützung?
3. Neue Werte gemeinsam klären
Entlang des Prozessplans und auf Basis der Analyse des Status Quo können Sie nun in die Entwicklungsphase eintauchen. Sie wissen nicht wo beginnen? Dann kann vielleicht das gemeinsame Ausfüllen eines Team Canvas helfen. Denken Sie dabei an möglichst konkrete Themen in Ihrem Berufsalltag wie Führungsverhalten, Feedbackkultur, Zusammenarbeit in Teams, Entscheidungsbefugnisse, Umgang mit Fehlern, Rekrutierungsprozesse, Bonussysteme, Beförderungen, Konsequenzen bei Fehlverhalten, usw. Dadurch vermeiden Sie einen zu theoretischen und abgehobenen Zugang zum Thema und schnelle Anschlussfähigkeit für die nächste Phase.
Leitfragen für diesen Schritt:
- Welche Normen und Denkweisen prägen unsere Zusammenarbeit?
- Wie können wir uns im Berufsalltag laufend verbessern?
4. Umsetzung in kleinen Schritten planen
Statt sämtliche dieser Ideen und Entscheide in einem grossen Konzeptpapier festzuhalten u̶̶n̶̶d̶̶ ̶̶d̶̶a̶̶n̶̶n̶̶ ̶̶s̶̶c̶̶h̶̶n̶̶e̶̶l̶̶l̶̶ ̶̶w̶̶i̶̶e̶̶d̶̶e̶̶r̶̶ ̶̶z̶̶u̶̶ ̶̶v̶̶e̶̶r̶̶g̶̶e̶̶s̶̶s̶̶e̶̶n̶, planen Sie die Umsetzung auch gleich in der Entwicklungsphase mit. Dabei hilft, einzelne in sich abgeschlossene Themen ausfindig zu machen und dafür konkrete Fristen und Verantwortlichkeiten zu setzen. Sehen Sie die Umsetzung dieser Themen stets auch als Prototyp, welcher zum Lernen für den gesamten Kulturprozess anregt.
Leitfragen für diesen Schritt:
- Welche Kulturthemen lassen sich schnell umsetzen?
- Was können wir aus der Umsetzung eines spezifischen Themas lernen?
5. Worten Taten folgen lassen
Nun haben Sie die wesentlichen Schritte hin zu einer neuen Unternehmenskultur vollbracht – und trotzdem kann noch immer alles scheitern. Weshalb? Wenn Sie als Führungskraft zwar ständig predigen, wie wichtig die Organisationskultur ist, Ihr Verhalten aber den (neu) gesetzten Regeln widerspricht, so lösen Sie vor allem eines aus: Ignoranz. Umso wichtiger ist, dass Sie deshalb mit gutem Beispiel vorausgehen, Ihr eigenes Verhalten regelmässig selbstkritisch hinterfragen und an sich selbst die höchsten Massstäbe setzen.
Leitfragen für diesen Schritt:
- Lebe ich die von mir / uns gesetzten Regeln tatsächlich?
- Wie kann ich mich selbst laufend verbessern und wer unterstützt mich mit einem kritischen Aussenblick?
Fragen? Konkrete Beispiele?
Wie stehen Sie zum Thema Unternehmenskultur? Kennen Sie Beispiele von Organisationen, welche starke Unternehmenskultur gemeinsam mit den Mitarbeiter:innen entwickelt haben? So lassen Sie es mich gerne wissen – direkt als Kommentar unterhalb dieses Artikels oder als Nachricht über einen persönlichen Kanal.
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