Culture Map: Dieses Tool hilft bei der Veränderung der Unternehmenskultur

Spätestens mit den Krisen der letzten Jahre zeigte sich: Organisationen, die in ihre Kultur investieren, sind resilienter. Eine starke Unternehmenskultur bildet das Fundament für wirtschaftlichen Erfolg, Innovationsfähigkeit und langfristige Bindung der Mitarbeitenden. Vor allem in unsicheren Zeiten bietet eine wertschätzende Unternehmenskultur Halt und Orientierung.

Zugleich wird während Krisen sichtbar, welche Organisationen basierend auf der gelebten Unternehmenskultur tatsächlich die Fähigkeit besitzen, sich schnell auf neue Veränderungen einzustellen. Hier habe ich beschrieben, wie das Gegenteil – Anzeichen einer toxischen Unternehmenskultur – ausfindig gemacht werden können und welche Massnahmen dagegen ergriffen werden können.

Für viele Organisationen stellt die Unternehmenskultur noch immer ein schwer greifbares Konstrukt dar. Deshalb möchte ich in diesem Artikel die Culture Map – ein Tool für die Konkretisierung der Unternehmenskultur – erklären. Ein Tool, welches ich bereits selbst in der Anwendung mit Unternehmen kennenlernen durfte und mich nicht nur im Modell, sondern auch im Umsetzungsprozess überzeugte.

Unternehmenskultur findet unter der Wasseroberfläche statt

Um dieses Tool anwenden zu können (mehr dazu hier), hilft es, die Unternehmenskultur als Metapher zu verstehen. Dafür wird oft das Bild eines Eisbergs bemüht.

Ähnlich wie bei einem Eisberg machen sich nur wenige Bestandteile der Unternehmenskultur tatsächlich im sichtbaren Bereich also im Arbeitsalltag bemerkbar. Dazu gehört zum Beispiel, wie die Räumlichkeiten des Unternehmens ausgestattet sind, ob man sich im Unternehmen duzt oder wer wann morgens im Büro aufkreuzt und abends wie lange bleibt.

Die Unternehmenskultur wird oft als Eisberg beschrieben: Der wichtigste Teil befindet sich unter der Wasseroberfläche.
Erstmals durch den Begründer der Psychoanalyse, Sigmund Freud, bekannt gemacht, wurde das Eisberg-Modell schliesslich von Edgar H. Schein weiterentwickelt und auf die Unternehmenskultur übertragen.

Doch viel massgeblicher für die Zusammenarbeit im Unternehmen ist, was unter der Wasseroberfläche im Verborgenen liegt: Was die Menschen inner- und ausserhalb der Organisation wahrnehmen, wie sie denken und fühlen. Die Unternehmenskultur basiert also zu einem grossen Teil auf den geteilten (und gelebten!) Werten, den sozialen Normen und Haltungen.

Diese manifestieren sich oft nur in ganz konkreten (Krisen-)Situationen oberhalb der Wasseroberfläche. Zum Beispiel dann, wenn gemeinsam beschlossene Entscheide nicht umgesetzt werden, Handlungen keine Konsequenzen haben oder Mitarbeitende aus Angst vor Sanktionen gewisse Dinge unterlassen.

Strategiearbeit bedeutet, an der Unternehmenskultur zu arbeiten

Genau diese Umstände führen dazu, dass in vielen Führungsweiterbildungen oder Jahresziel-Gesprächen zwar über neue Strategien diskutiert wird, sich im Alltag aber dennoch wenig bis nichts ändert. Viel zu oft wird die Strategiearbeit nämlich nicht mit Veränderungen an der Unternehmenskultur in Verbindung gebracht. Ein systemisches und ganzheitliches Verständnis fehlt. Die gewünschten Resultate verpuffen, bevor ihre Umsetzung je begonnen hat.

Wer mehr als Hochglanzbroschüren oder multimediale Kampagnen zu den Firmenwerten kommunizieren will, muss deshalb ins kalte Wasser springen und sich unter die Wasseroberfläche begeben. Um im Bild des Eisbergs zu bleiben, können nur durch aktive Arbeit an den unsichtbaren Elementen auch die sichtbaren längerfristig verändert werden.

Das wirft schnell die Frage auf, wie eine Kulturveränderung konkret gestaltet und möglichst greifbar gemacht werden kann. Die Antwort liegt weniger in der Verbreitung von Informationsmaterialien als vielmehr beim aktiven Vorleben und Durchsetzen der gewünschten Kulturwerte durch die Führungspersonen einer Organisation.

Weshalb Führungskräfte der Schlüssel zur Unternehmenskultur sind

Edgar Schein, ein Pionier der Organisationspsychologie, betont in seinem Buch «Organizational Culture and Leadership» die Bedeutung des Führungsverhaltens. Er hat sechs primäre Mechanismen, durch die Führungskräfte die Organisationskultur beeinflussen können, identifiziert.

Dazu gehören …

  • das Beobachten und Messen relevanter Indikatoren
  • die Reaktion auf kritische Vorfälle
  • die Allokation von Ressourcen
  • das bewusste Vorleben und Coachen
  • die Verteilung von Status und Anerkennung
  • die Entscheidungen über Rekrutierung und Beförderungen

Bei sämtlichen dieser Dimensionen wird schnell klar, dass sie im Alltag sehr unterschiedlich gelebt werden können. Deshalb erfordert die Arbeit an der Unternehmenskultur ein regelmässiger Austausch und eine systematische Befähigung aller Führungsebenen. Nur so werden die angestrebten Kulturveränderungen tief in den täglichen Handlungen und Entscheidungen der Organisation verankert.

Bleibt die Arbeit an der Unternehmenskultur aus, wird es schnell teuer

Bleibt dies aus, beginnen die Mitglieder in der Organisation ihre eigene Interpretation der propagierten Unternehmenswerte zu leben. Unausgesprochenes und Routinen definieren dann unbewusst die täglichen Handlungen und Entscheidungen. Viel zu selten wird in diesem Zusammenhang über die negativen Folgen von ausbleibender Kulturarbeit gesprochen.

Doch gerade im Hinblick auf den Fachkräftemangel und in Zeiten, in welchen rund ein Drittel der Mitarbeitenden über ausbleibende Entwicklungsmöglichkeiten und fehlende Wertschätzung klagen, sind Investitionen in die Unternehmenskultur essentiell für den künftigen wirtschaftlichen Erfolg der Organisation.

Bleiben diese aus, kommt es schnell zum Brain Drain. Der Verlust von Mitarbeitenden und damit einhergehend von ihrem Wissen und ihrer Erfahrung stellt ein reales Problem dar, welches sogar in konkreten Zahlen gemessen werden kann. Demgegenüber stehen Studienresultate, welche besagen, dass Mitarbeiter:innen, die ihre Unternehmenskultur als positiv einschätzen, sich mit 3,8-fach höherer Wahrscheinlichkeit engagieren.

Wie es gelingt, Unternehmenskultur sichtbar zu machen

Dass die Abhängigkeit des wirtschaftlichen Erfolgs, der Innovationsfähigkeit, Mitarbeitendenbindung von der Unternehmenskultur in vielen Organisationen nicht die höchste Priorität geniesst, liegt vor allem auch daran, dass die Arbeit an der Unternehmenskultur oft als etwas Gefühliges oder Ungreifbares abgetan wird. Doch es ginge auch anders: Mit den richtigen Werkzeugen kann die Arbeit an der Unternehmenskultur sehr konkret und sogar lustvoll angegangen werden.

Ein Tool, welches bei der Konkretisierung und Veränderung der Unternehmenskultur dienen kann, ist die Culture Map. Geprägt durch Simon Sagemeister und dem Culture Institute hilft die Culture Map bei der Visualisierung der Kulturausprägungen innerhalb einer Organisation. In seinem Buch «Business Culture Design», welches soeben in der zweiten überarbeiteten Auflage erschienen ist, beschreibt Sagmeister wie die Unternehmenskultur gezielt entwickelt werden kann.

Der Aufbau der Culture Map orientiert sich an Erkenntnissen der kulturellen Evolution und gleicht dem bereits bekannten Eisberg-Bild. Die Culture Map besteht aus sieben verschiedenen Farben, die jeweils für unterschiedliche Kulturausprägungen stehen. Im Folgenden sind die kulturellen Ausprägungen detaillierter beschrieben.

Die Culture Map hilft als Tool, um die Unternehmenskultur greifbar zu machen. Sieben Farben beschreiben die unterschiedlichen Kulturausprägungen.
Die Culture Map hilft als Tool, um die Unternehmenskultur greifbar zu machen. Sieben Farben beschreiben die unterschiedlichen Kulturausprägungen. Quelle: The Culture Institute.

Von Violett bis Aqua steht jede Farbe für eine andere Komplexitätsstufe. Im Modell sind ausserdem gruppenorientierte, stabilisierend wirkende Werte auf der rechten Seite und individualistische, dynamisierend wirkende Werte auf der linken Seite abgebildet. In Organisationen kommt nie nur eine Farbe in Reinform vor. In jedem Team sind stets Elemente aller sieben Farben enthalten, welche sich zudem im zeitlichen Verlauf immer wieder neu zusammensetzen können.

Wie mit der Culture Map die Kultur konkret verändert werden kan

Das Modell ist eine praktische Hilfestellung, um sowohl die aktuelle Unternehmenskultur abzubilden und sich dieser bewusster zu werden. Dies geschieht vor allem durch die unterschiedlichen Grössenvisualisierungen der Kulturausprägungen. Doch die Culture Map hilft auch, um ganz konkret Veränderungen in der Unternehmenskultur mit Blick auf künftige Herausforderungen ausfindig zu machen und diese herbeizuführen.

Ein solcher Prozess kann eigenständig oder aber auch mit externer Unterstützung angestossen werden. In beiden Fällen lohnt sich das folgende prototypische Prozessvorgehen und die Klärung dieser Fragen:

Phase 1: Prozessplanung

Was soll mit dem Kulturprozess erreicht werden? Wer ist Auftraggeber:in? Wer leitet und moderiert den Prozess?

Phase 2: Ist-Kultur

Welche Ausprägungen (Farben) dominieren die aktuelle Unternehmenskultur? Mittels Umfrage bei der gesamten Belegschaft können die unterschiedlichen Kulturdimensionen abgeleitet werden. Zugleich lassen sich damit Unterschiede zwischen Hierarchien und Abteilungen aufzeigen.

Phase 3: Herausforderungen

Auf welche internen und externen Herausforderungen muss sich die Organisation vorbereiten? Welche Chancen verbergen sich hinter den Herausforderungen? Dabei kann strategisches Foresight als Methodik behilflich sein.

Phase 4: Ziel-Kultur

Welche Kultur ist im Hinblick auf die bevorstehenden Herausforderungen notwendig? Inwiefern müsste sich die Organisation verändern, um zukunftsfähig zu sein? In gemeinsamen Workshops mit einem repräsentativen Teil der Belegschaft lassen sich künftige Kulturdimensionen definieren.

Phase 5: Handlungsfelder

Mit welchen systemischen und auch individuellen Massnahmen lässt sich die neue Ziel-Kultur Schritt um Schritt entwickeln? Was braucht es, um gewisse Kulturausprägungen zu verstärken respektive zu reduzieren? Wie lässt sich messen, ob die definierten Massnahmen umgesetzt werden?

    Mit Culture Hacks die Kultur von morgen prägen

    Noch immer dominiert die Meinung, kulturelle Veränderungen bräuchten unglaublich viel Zeit. Das führt häufig dazu, dass unangenehme Veränderungen auf die lange Bank geschoben oder gar nie in Angriff genommen werden. Dabei geht es weniger um die bahnbrechenden neuen Regelungen, sondern viel mehr darum, wie wir alle in unseren Organisationen täglich handeln und entscheiden. Jede:r von uns hat die Macht, mit seinem / ihrem Verhalten an der Kultur der Organisation zu arbeiten.

    Kleine, aber sehr konkrete Culture Hacks können deshalb helfen, das Kulturthema im Alltag unmittelbar spürbar zu machen. Folgende Beispiele können als Inspiration für eine schnelle Umsetzung dienen:

    Bedürfnisse der Kund:innen spürbar machen
    Statt immer nur über Nutzer:innen-Zentrierung zu sprechen, kann die Einführung eines Kund:innen-Tages helfen, um echte Bedürfnisse kennenzulernen: Einmal pro Woche spricht jede Person, welche neue Produkte entwickelt, mit einer/einem Nutzer:in. Dies kann ein kurzes offenes Gespräch oder ein strukturiertes Interview sein, um deren Lebenssituation und Bedürfnisse besser kennen zu lernen.

    Mehr Respekt für gegenseitige Zeit
    Sitzungen prägen die Unternehmenskultur stark. Es gibt kaum ein Unternehmen, welches mit seiner Sitzungskultur zufrieden ist. Ein erster Schritt für effizientere Sitzungen kann sein, sich selbst bei jeder Sitzungseinladung zu fragen: Habe ich tatsächlich etwas beizutragen? Braucht es mich konkret in diesem Meeting? Mindestens einmal pro Woche eine Sitzungsteilnahme abzulehnen (oder stattdessen andere Formen des Austauschs vorzuschlagen) kann helfen, um mehr Bewusstsein für das gemeinsame Zeitmanagement zu schaffen.

    Misserfolge als Lernmomente feiern
    Ob als gemeinsam organisierte Fuckup-Night oder als kleine Pinnwand in der Kaffee-Ecke: Misserfolge in regelmässigem Abstand zu sammeln und zu teilen hilft, um gemeinsame Lernerfahrungen zu bilden, Vertuschungen vorzubeugen und psychologische Hürden abzubauen. Dieser Hack klappt umso besser, wenn Führungskräfte aus der Top-Ebene mit ihren Beispielen mutig voran schreiten.

    Auftragsklärung in der Küche statt am Sitzungstisch
    Kund:innen-Dienstleister-Beziehungen sind nicht immer einfach. Um das Gefälle zu entschärfen und zugleich ein Gemeinschaftsgefühl zu entwickeln, kann eine neue Form der Zusammenarbeit etabliert werden. Statt langwierigen Pitch-Präsentationen im Meeting-Raum können zum Beispiel eine Wanderung oder die gemeinsame Zubereitung eines Dinners dazu dienen, sich gegenseitig persönlich besser kennenzulernen und zugleich erste gemeinsame Arbeitserfahrungen in einem neutralen Raum zu sammeln.

    Lähmende Harmonie brechen
    Gewisse Teams lähmen sich selbst, weil sich die Mitarbeitenden untereinander mit Samthandschuhen anfassen und sich gegenseitig kaum Kritik oder gar Widerrede zumuten wollen. Dies kann zu Gutwetter-Zeiten funktionieren, doch spätestens bei einer aufziehenden Krise zeigt sich, dass sich mit Harmonie alleine keine Probleme lösen lassen. Deshalb kann es helfen, Gespräche oder Meetings jeweils mit einer provokanten oder tabulosen Frage zu beenden. Diese kann entweder in einer offenen Runde oder anonym gesammelt werden, muss aber im Anschluss im Plenum diskutiert und beantwortet werden.

    Fragen? Andere Beispiele?

    Wie begegnen Sie in Ihrer Organisation dem Kulturthema? Kennen Sie Beispiele von gelungenen Kulturprozessen? Lassen Sie es mich gerne wissen, indem Sie die untenstehende Kommentar-Funktion nutzen oder mir auf einem anderen Kanal eine Nachricht zukommen lassen. Ich freue mich!

    Tipps zu Strategieprozessen und Organisationsveränderungen liefere ich übrigens auch alle 3-4 Wochen als kostenlosen Newsletter. Dazu gehören kurze Einordnungen, Leseempfehlungen und Praxis-Beispiele rund um die Themen digitale Transformation, Change Management und Strategiearbeit.

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