Weshalb rollenbasierte Arbeit im Team zu mehr Klarheit, Verantwortlichkeit und Effizienz führt

Wie würde unser Arbeitsalltag aussehen, wenn alle Mitarbeitenden einer Organisation ihre Kompetenzen und Talente sinnvoll einbringen könnten? Welche Auswirkungen hätte es auf das Arbeitsklima, wenn nicht mehr Führungskräfte alleine alle Entscheidungen fällen und durchsetzen müssen?

Was erstmal nach einer unrealistischen Utopie klingt, ist durchaus möglich. Doch dazu braucht es mindestens zwei Grundvoraussetzungen: Klare Prinzipien einer neuen Zusammenarbeit und eine bewusste Haltung, einen solchen Umbau in der eigenen Organisation anstossen zu wollen. Eine Möglichkeit, um eine solche Transformation von hierarchischen Strukturen hin zu mehr Selbstorganisation in einem Unternehmen oder Team auszulösen, stellt die Einführung des rollenbasierten Arbeitens dar.

Was bedeutet rollenbasierte Arbeit?

Im Zentrum dieser neuen Form der Zusammenarbeit stehen zu erledigende Aufgaben und die in der Organisation vorhandenen Kompetenzen. Die konkreten Aufgaben sind an Rollen geknüpft, die gleichberechtigt nebeneinander existieren und alle zum Erfolg der Organisation beitragen.

Da sich Aufgaben innerhalb einer Organisation laufend verändern können, zielt die Arbeit in Rollen darauf ab, ein flexibles und dynamisches Arbeitsumfeld zu schaffen. Mitarbeitende übernehmen spezifische Rollen mit klar definierten Verantwortlichkeiten. Kompetenzen stehen dabei im Vordergrund – es sollte stets die Person entscheiden, die in dem Bereich am kompetentesten ist. Auf diese Weise kann eine agilere Zusammenarbeit gefördert werden.

Die Rollen werden aus Sicht der Organisation definiert (was wird konkret benötigt, um den Erfolg zu steigern?) und basierend auf den Fähigkeiten und Kompetenzen der einzelnen Mitarbeitenden zugeteilt (wer kann in welcher Rolle am meisten zum gemeinsamen Erfolg beitragen?).

Rollenbasierte Arbeit ermöglicht flexiblere Anpassungen und mehr Transparenz und Klarheit innerhalb des Teams.

Beim rollenbasierten Arbeiten wird im Unterschied zur traditionellen und starren Stellenbeschreibung nicht nur das Aufgabenprofil, sondern auch der Zweck der Rolle sowie die Verantwortlichkeiten und der Entscheidungsspielraum geklärt. Dies ermöglicht, dass Rollen schnell an sich ändernde Anforderungen der Zusammenarbeit angepasst werden können.

Welches sind die Vorteile von rollenbasierter Zusammenarbeit?

Das Arbeiten mit Rollen statt fixen Funktionen bietet gleich mehrere Vorteile:

  • Klarheit und Fokus: Durch klar definierte Rollen wissen Teammitglieder genau, was von ihnen erwartet wird. Dies erhöht die Effizienz und die Qualität der Arbeit.
  • Transparenz: Werden Rollen gemeinsam im Team definiert und vergeben, führt dies zu mehr Transparenz und verhindert Abgrenzungsdiskussionen und Doppelspurigkeiten.
  • Verantwortlichkeit: Mit einer klaren Rollenverteilungen ist es einfacher, Verantwortlichkeiten zuzuweisen und diese mit messbaren Zielen zu verknüpfen.
  • Flexibilität: Rollen können laufend an aktuelle Anforderungen und neue Trends angepasst werden, was eine schnelle Reaktion auf Veränderungen ermöglicht.
  • Prozesse: Durch klar zugeteilte Rollen können Prozesse vereinfacht und die Entscheidungsfindung aufgrund der klaren Zuständigkeiten verkürzt werden.
  • Selbstwirksamkeit: Teammitglieder können sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren, diese weiterentwickeln und zugleich auch aus der Fachkompetenz heraus Entscheide fällen.
  • Offenheit: Da sich Rollen laufend verändern können, ist die Gefahr kleiner, dass sich Macht- und Statusdenken in der Organisation etabliert.

Wie auch im Privatleben ist es durchaus üblich und sinnvoll, wenn Menschen in der Arbeitswelt mehrere Rollen gleichzeitig übernehmen. Das führt nicht nur zu mehr Effizienz, sondern reduziert auch die Abhängigkeit von einzelnen Personen, teilt die Verantwortung und stärkt die Motivation und Resilienz im Team.

Klassische Führungsaufgaben können dabei einer spezifischen (Lead-)Rolle zugeteilt werden. Wer hier noch einen Schritt weiter in Richtung Selbstorganisation wagen will, kann die Lead-Rolle allerdings auch ganz aufheben. Dann müssten zumindest die drei Leadership-Teilbereiche (Strategie, People und Finanzen) auf andere Rollen aufgeteilt werden. Wie dies konkret funktionieren kann, haben Sebastian Klein, Ben Hughes und Frederik Fleischmann in ihrem Buch «Der Loop Approach» einfach nachvollziehbar festgehalten.

Wie ist eine Rolle aufgebaut?

Es gibt keine allgemeingültigen Rollen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass jede Organisation die für den eigenen Wertschöpfungsprozess passenden Rollen definiert.

Eine Rollenbeschreibung sollte klar und umfassend sein, um die Erwartungen und Verantwortlichkeiten der jeweiligen Rolle verständlich kommunizieren zu können. Eine präzise Rollenbeschreibung zwingt die Organisation ausserdem dazu, Gespräche darüber zu führen, ob eine bestimmte Rolle tatsächlich notwendig ist. Hierbei kann folgende strukturierte Vorlage bei der Erstellung und Überprüfung der Rollenbeschreibungen helfen.

Rollen Canvas: Diese Vorlage hilft bei der konkreten Beschreibung von Rollen innerhalb von Teams oder Organisationen.

☞ Der Rollen-Canvas kann als Vorlage (PDF-Dokument) heruntergeladen werden.

Welche Voraussetzungen benötigt die rollenbasierte Arbeit?

Um die Arbeit basierend auf Rollen zum Erfolg zu bringen oder gar eine Transformation der bestehenden Organisation und Hierarchie anzustossen, müssen einige Voraussetzungen gegeben sein. Diese haben in den meisten Fällen mit der vorherrschenden Unternehmenskultur zu tun.

  • Klarheit über Ziele herstellen: Sowohl in Bezug auf die übergeordneten Ziele der Organisation als auch auf die angestrebte Veränderung sollte Klarheit herrschen, was damit bezweckt werden soll.
  • Transparent kommunizieren: Ist der Entscheid gefällt, dass innerhalb der Organisation oder in Teilbereichen neu mit dem rollenbasierten Modell gearbeitet werden soll, gilt es diesen transparent zu kommunizieren. Dazu gehört auch die Klärung, in welcher Form und zu welchem Grad die Mitarbeitenden bei der Definition und Zuteilung der künftigen Rollen mit einbezogen werden sollen.
  • Als Führungskraft unterstützen: Ein solcher Organisationswandel kann nur funktionieren, wenn die Führungskräfte das rollenbasierte Modell verinnerlicht haben und es entsprechend unterstützen. Das bedingt im Extremfall sogar, die eigene Führungsrolle hinterfragen zu können.
  • In Expertise vertrauen: Ein Wandel hin zur rollenbasierten Zusammenarbeit bedingt, sich auf die Expertise der Mitarbeitenden verlassen und eine neue Art der Vertrauenskultur aufbauen zu können. Vermehrte Kooperation, zeitlich begrenzte Job-Tauschs sowie Transparenz über das eigene (Nicht-)Wissen können bei diesem Schritt unterstützend wirken.
  • Ressourcen und Tools bereitstellen: Damit die Veränderung auch praktisch gelingt, muss das Unternehmen die notwendigen Ressourcen und Tools zur Verfügung stellen. Dazu gehören zugängliche Projektmanagement-Tools, Kommunikationsplattformen und Dokumentationssysteme (z.B. kumu, GlassFrog oder holaspirit).

Wie gelingt die Einführung von Rollen in Organisationen und Teams?

Sind diese Voraussetzungen gegeben, kann die Einführung von rollenbasierter Arbeit in der Organisation konkret angegangen werden. Dazu hilft ein strukturierter und im Vorfeld geplanter Prozess. Folgende Schritte können dabei unterstützen:

  1. Bewusstsein und Verständnis schaffen:
    In einem ersten Schritt geht es darum, Verständnis und Akzeptanz bei den Mitarbeitenden für die neue Form der Zusammenarbeit zu schaffen. Organisieren Sie dazu Informationsveranstaltungen oder Schulungen, um über das Konzept des rollenbasierten Arbeitens zu informieren.
  2. Aktuelle Arbeitsweise analysieren: Um zu verstehen, wie die Arbeitsweise und die Aufgabenverteilung aktuell organisiert ist, hilft eine Bestandesaufnahme. Dabei sollen die Mitarbeitenden auch ihre eigenen (wiederkehrenden) Aufgaben beschreiben.
  3. Künftige Rollen definieren: Auf Basis des Rollen-Canvas können nun die gesammelten Aufgaben zu konkreten Rollen gebündelt werden. Jede Rollenbeschreibung sollte klare Verantwortlichkeiten, Ziele und Entscheidungsspielräume aufweisen. Vergessen Sie mit Blick auf künftige Trends und Herausforderungen nicht, neue Rollen zu ergänzen. Sobald die Rollenbeschreibungen erfolgt sind, sollten diese für alle Mitarbeitenden zugänglich gemacht werden.
  4. Rollen priorisieren: Um die Organisation möglichst schlank zu halten und gleichzeitig den grösstmöglichen Effekt auf die übergeordneten Ziele zu erzielen, sollten die nun gesammelten Rollen priorisiert werden. Achtung: Lassen Sie sich dabei nicht zu stark von den vorhandenen Kompetenzen innerhalb der Organisation leiten, sondern orientieren Sie sich an der grösstmöglichen Wertschöpfung der jeweiligen Rolle aus Sicht des Unternehmens.
  5. Pilotprojekt starten: Es ist oft kontraproduktiv, eine solch tiefgreifende Veränderung auf einen Schlag über die gesamte Organisation auszurollen. Bestimmen Sie deshalb gemeinsam ein oder mehrere Teams, die als Pilotprojekte dienen. In diesen Teams wird die rollenbasierte Arbeit zunächst für einen definierten Zeitraum (6-18 Monate) ausprobiert.
  6. Rollen nominieren und zuweisen: Für die Zuteilung der Rollen eignet sich ein Workshop-Format mit sämtlichen Mitgliedern des Pilotprojektes. In diesen Workshops können sich die Mitarbeitenden selbst für eine Rolle nominieren oder von Kolleg:innen nominiert werden. Dafür lohnt es sich, die eigenen Stärken und Fähigkeiten kritisch zu reflektieren. Um die Rollen konkret zuzuweisen, kann entweder eine offene Wahl oder eine Konsent-Entscheidung durchgeführt werden.
  7. In den Arbeitsalltag integrieren: Nun gilt es, die neu definierten Rollen im Arbeitsalltag spürbar zu machen und die Prozesse entsprechend anzupassen. Beginnen Sie z.B. mit einer Überprüfung der regelmässigen Sitzungen: Welche Rolle muss künftig an welchen Terminen teilnehmen? Gehen Sie dann weiter zur Anpassung von konkreten Prozessen: Welche wiederkehrenden Abläufe können aufgrund der neuen Rollendefinition angepasst oder gar ganz weggelassen werden?
  8. Regelmässig überprüfen: Sammeln Sie regelmässig Feedback von den Mitarbeitenden im Pilotprojekt, um zu verstehen, was gut funktioniert und wo Anpassungen notwendig sind. In etwas loserem Abstand können auch grössere Workshops mit sämtlichen Mitarbeitenden organisiert werden, um das Thema weiterhin organisationsweit aktuell zu halten.
  9. Auf die gesamte Organisation ausweiten: Versuchen Sie noch während dem Pilotprojekt weitere Teams hinzuzuziehen, um gemeinsam aus den Erfahrungen zu lernen. So kann die neue rollenbasierte Arbeitsweise Schritt um Schritt auf weitere Teams und Abteilungen ausgedehnt werden. Begleiten Sie die Mitarbeitenden weiterhin eng, um bei Unklarheit und Missverständnissen schnell Unterstützung anbieten zu können.
  10. Anpassungen vornehmen: Mit jedem Ausbauschritt wird es schwieriger, den Überblick zu behalten. Versuchen Sie deshalb mit neuen Informationsformaten alle Mitarbeitenden kontinuierlich über die Fortschritte in der neuen Arbeitsweise zu informieren und gemeinsam Erfolge zu feiern. Anlässlich dieser Relektions-Meetings können Sie zudem Spannungen identifizieren und gemeinsam Anpassungen an den Rollen vornehmen.

Wie eine Übersicht von verschiedenen Rollen innerhalb einer Organisation konkret aussehen kann, haben die Macher:innen hinter der Plattform neuemedien.org in diesem Template konkret aufgezeigt. Dieses kann auch als Notion-Board für die eigene Organisation übernommen und adaptiert werden.

Übersicht eines Rollen-Boards zur Visualisierung der unterschiedlichen Rollen in einer Organisation.

Fragen? Andere Beispiele?

Arbeiten Sie in Ihrer Organisation bereits mit Rollen? Kennen Sie Beispiele von gelungenen Transformationsprozessen hin zu einer rollenbasierten Arbeit? Lassen Sie es mich gerne wissen, indem Sie die untenstehende Kommentar-Funktion nutzen oder mir auf einem anderen Kanal eine Nachricht zukommen lassen. Ich freue mich!

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